Ob Kultur- oder Kunstdarbietungen, Freizeit- und Erholungsareale, Artenschutz- und Biodiversitätsrefugien- die neuen Ansätze für den alten Ort Friedhof sind vielfältig. Sie bereichern nicht nur die traditionelle Friedhofslandschaft, sondern entwickeln sich zu einem neuen Bestandteil urbaner Grün- und Freiräume. Die mittelalterlichen Kirchhöfe waren wichtige Orte des kirchlichen und des weltlichen Lebens. Diese Doppelfunktion bewahrten sie lange Zeit. Die Rolle der Friedhöfe wandelte sich mit der veränderten Einstellung zum Tod. Dieser Wandel war vor allem Folge der beginnenden Säkularisierung und Aufklärung im 18. Jahrhundert. Waren die Kirchhöfe des Mittelalters noch Orte, mit denen sich die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten verknüpfte, galten Friedhöfe danach immer mehr als Stätten des Gedenkens an die Toten. Und als Gedenkstätten sollte Sie ein besonderes Äußeres erhalten: Die Friedhöfe wurden gärtnerisch gestaltet.
Leider sind viele der historischen Anlagen mittlerweile verfallen oder dem Verfall preisgegeben. Geschichtliche Umbrüche, das Verdrängen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft, aber auch und nicht zuletzt eine Änderung des Bestattungsverhaltens haben dazu geführt, dass ganze Quartiere abgeräumt und damit irreparable Eingriffe vorgenommen wurden. Viele historische Friedhofsanlagen sind heute kaum noch als solche zu erkennen. Umso dringender die Aufgabe, die Inventarisierung der historischen Friedhöfe, die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Auftrag der staatlichen Gartendenkmalpflege begonnen wurde, fortzuführen und gleichzeitig Pflegewerke zu erarbeiten, die den Anforderungen von Erholung, Wirtschaftlichkeit, Denkmalpflege, Stadtökologie und Naturschutz gerecht werden. Natürlich darf bei alledem nicht vergessen werden, dass Friedhöfe der Bestattung Verstorbener dienen und – solange auf ihnen bestattet wird – keine Museen sind. Gleichwohl bilden sie ein “Gesamtkunstwerk”, das man im Blick behalten muss. Grabmal, Grabeinfassung und Grabgestaltung durch Bepflanzung sind ebenso wie die gesamte Friedhofsanlage ein zeittypisches Dokument sowohl für künstlerische Ausdrucksformen als auch für den Umgang der Menschen mit dem Tod.
Ein Beispiel ist der ► Kortumpark in Bochum. Der Kortumpark ist ein aufgelassener Friedhof südlich der Innenstadt von Bochum, der als öffentlicher Park dient. Als „aufgelassene Friedhöfe“ werden die Friedhofs-Anlagen bezeichnet, auf denen keine Bestattungen mehr durchgeführt werden. Die Stadt Bochum ist, da es sich um öffentliches Grün handelt, für die Pflege der Anlagen zuständig. Da jedoch einige Familiengruften bis in die Gegenwart gelegentlich belegt werden, ist in diesen Fällen die jeweilige Familie für die Grabpflege verantwortlich.
Der Plan für den ► Hauptfriedhof der Stadt Witten wurde Anfang der 60er Jahre gefasst. Auf einer Fläche von 180.000 m² entstand der Friedhof auf dem früheren Zechengelände Walfischbusch (Zeche Walfisch 1832-1880). Die parkähnliche Anlage mit ihren weiten Wiesenflächen ist oft ein Ort der Stille. Er ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Symbiose.
Die parkähnliche Ruhestätte an der Pferdebachstraße ist mit etwa 20 Hektar der größte Friedhof Wittens. Er ist in kommunaler Verwaltung und ein architektonisches Kind der frühen 1960er. Erbaut auf dem Gebiet der ehemaligen Steinkohlezeche Walfischbusch.
Die Natur genießen und zur Ruhe kommen. Der ► Friedhof und Park der Ruhe lädt mit seiner Architektur, seinem Baumbestand, seiner Pflanzen- und Tierwelt, seinem angenehmen Klima und der schönen Aussicht sowie den vielen Sitzgelegenheiten zum Spazieren gehen und Verweilen ein. Der vor über 100 Jahren angelegte Friedhof zeigt sich als weitläufige Parkanlage.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lag auf dem Gelände des heutigen ► Lutherparks in Witten der zweite evangelische Friedhof. 1826 war dieser eingeweiht worden. Einzelne Grabsteine wurden im östlichen Teil des Parks belassen. Anfang der 50er Jahre wurde der Park als einer der ersten Naherholungsbereiche in Witten nach dem Krieg hergerichtet. Heute bietet Lutherpark als innerstädtische Parkanlage große Freiflächen, einen Sand-, Matsch- und Kletterplatz für Kleinkinder und separat einen Sportlertreff für Teens und Jugendliche zum Skaten. Auch eine ► Gedenkstätte mit Mahnmal zum Gedenken der Gefallenen im zweiten Weltkrieg findet man hier.
In den kommenden fünf Jahren bekommen zahlreiche Kirchengemeinden aus der EKvW Gelegenheit, ihre Friedhöfe aufzuwerten. Für alle drei Verbundpartner des Gesamtprojekts stellt der Bund insgesamt rund 3,5 Millionen Euro als Förderung bereit. Ganz praktisch hat das Projekt mit einer Begehung des Evangelischen Friedhofs in Gütersloh begonnen. Hier gibt es bereits kleine Biotope, die auf den ersten Blick wie vergessene Flächen wirken. Die Gärtner mähen die ungenutzten Flächen aber bewusst nicht regelmäßig, damit Magerwiesen entstehen können, wo seltene Wildbienen zwischen Moos und Ferkelkraut ihre Höhlen graben. An einer alten Mauer filtern Flechten den Feinstaub aus der Luft, zwischen historischen Grabsteinen blüht eine Wiese, am Wasserbecken schwirren Libellen und ein abgestorbenen Baumstupf bietet Lebensraum für Pilze. Wer selbst eine Grabstätte pflegt, kann mit heimischen Pflanzen und torffreier Gartenerde dazu beitragen, den Friedhof vielfältiger und nachhaltiger zu gestalten.
Wichtig ist eine gute Aufklärung, damit die Vielfalt nicht wie Vernachlässigung wirkt. Deshalb setzt der BiodiversitätsCheck auch auf Ehrenamtliche, die als Schöpfungsbotschafter ausgebildet werden und so einen wichtigen Beitrag als Multiplikatoren leisten. Fachexpertise bringen Biologische Stationen aus NRW und eigene Fachreferenten aus dem Institut für Kirche und Gesellschaft ins Projekt ein. Am Ende sollen modellhafte, erprobte Ideen aus rund 170 Kirchengemeinden der drei Projektpartner zeigen, wie Kirchenflächen zu „Knotenpunkten urbaner grüner Infrastruktur“ werden können, so die Projektbeschreibung des Bundesamts für Naturschutz.
Die westfälische Landeskirche beteiligt sich mit dem Schwerpunkt „BiodiversitätsCheck auf kirchlichen Friedhöfen“ am Projekt im Rahmen des Bundesprogramms Biologischen Vielfalt. Das Projekt endet im März 2026.
Ansprechpartnerin für interessierte Gemeinden ist Projektleiterin Ulrike Jurczik, E-Mail: bick@ekvw.de
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