Votivschiffe leiten sich aus dem lateinischen "ex-voto" ab, "votum" bedeutet "Gelübde". Die typische Geschichte hinter einem Votivschiff ist eigentlich, dass ein Seemann sich auf hoher See in höchster Not befindet und Gott verspricht, ihm ein Schiff zu schenken, wenn er diese Notsituation überlebe. In der nächsten Kirche, die er erreicht, oder in seiner Heimatkirche stiftet der Mann dann tatsächlich ein solches Schiff.
Dieser Brauch ist rund um das Mittelmeer verbreitet gewesen. Man kann in Spanien und Portugal, Griechenland und Italien auf Votivschiffe stoßen. Dieser Brauch ist dann nach Mittel- und Nordeuropa übernommen worden. Allerdings fehlt die oben skizzierte Geschichte in aller Regel. Im evangelischen Einzugsbereich ist das aufgehängte Schiff mehr Schmuck und Zierde, oftmals weil eine Person oder ein Verein sich verewigen möchte, weil man an bestimmte Personen oder Ereignisse erinnern will. Insofern sind diese Schiffe streng genommen keine Votivschiffe, werden aber auch dort zumeist als solche bezeichnet. In Dänemark spricht man, leicht missverständlich, vom "Kirchenschiff" (kirkeskib), auch von "Schmuckschiffen" oder "Schiffsmodellen in Kirchen" ist zuweilen die Rede. In Deutschland finden sich die meisten Schiffe natürlich an der Nord- und Ostseeküste, in Mecklenburg-Vorpommern sind es fast 50, in Schleswig-Holstein ebenfalls.
◄ Nicht nur die Schifffahrt bestimmte und bestimmt das Bild in Büsum, einst eine Insel und von der Seefahrt geprägt, über Jahrhunderte tat dies auch die Nordsee – und zwar tiefgreifend, grundlegend, prägend.
Sturmfluten verschlangen einst ganze Ortsteile der mittelalterlichen Siedlung. Auch der Geist des heiligen St. Clemens, immerhin Schutzpatron der Schiffer und Küstenbewohner, half nicht immer – um 1280 wurde ihm die Kirche von Büsum geweiht, rund 80 Jahre später ging sie in einer mörderischen Jahrtausendflut unter. Wer durch die historischen Gassen von Büsum spaziert, merkt, dass es ein wenig aufwärts geht zur Kirche von St. Clemens, sie liegt auf einer Wurt, einem aufgeschütteten Hügel. Manches Mal suchten die Menschen bei Sturmflut Zuflucht in der Kirche, und St. Clemens aber hielt Stand und Versprechen. Es ist eine schöne Kirche, alt und ehrwürdig, eine, die auch von Seefahrt erzählt.
▲ Im Kirchspielsiegel übrigens trägt St. Clemens einen Anker. Die Bronzetaufe gilt als ältestes Inventar, sie ist rund 700 Jahre alt, und wurde vom Freibeuter Cord Widderich nach Büsum verbracht – er nahm sie während eines Beutezuges von anderswo mit. Von Büsum in Dithmarschen fuhr er, der Dithmarscher Freibeuter, los auf Kaperfahrt, nach Büsum kehrte er zurück. Vielleicht ein wenig geläutert. Und in Büsum hängt auch ein Schiff in der Kirche: Das Modellschiff ist rund 180 Zentimeter lang und es trägt den Namen „Der milde Herbst“. Pastor Gazert bekam es im Jahre 1807 als Abschiedsgeschenk von seiner Gemeinde auf Föhr. Der Pastor ließ das Schiff in die Büsumer Kirche hängen. Zwar sehe es aus wie ein (dänisches) Kriegsschiff, aber es könne sich ebenso gut um ein Handelsschiff mit Kanonenbestückung handeln – so sei eine Verteidigungsmöglichkeit an Bord doch allemal besser gewesen als eine Versicherung. Oft wurden solche Modelle von Schiffergilden gestiftet und der Kirche mitsamt Segenswunsch vermacht, die Besatzung fühlte sich dann auf ihrem echten Schiff sicherer wenn sie das Modell samt Gelübde im sicheren Hafen ihrer heimatlichen Kirche wähnte. Kanonen an Bord aber konnten nicht schaden und gegen die Gewalt der See half der gute Glauben.
▲ Das Votivschiff mit dem Namen VERTROUWEN (Vertrauen) in der St. Johanniskirche.
▲ Viele Schiffe, die in Kirchen hängen, tun dies seit langer Zeit. Das Schiff in der St. Laurentii Kirche von Süderende auf Föhr gelangte erst im Jahre 2003 dorthin. Es wurde von dem niederländischen Verleger Dr. Walter Wybrands Marcussen der Kirchengemeinde gespendet und im Erntedankgottesdienst desselben Jahres erstmals feierlich präsentiert. Das Schiffsmodell hängt gegenüber der Kanzel in der Mitte eines Gewölbebogens. Es zeigt die Fregatte Alexander, einen Dreimaster: 90 Zentimeter lang, gut zwanzig breit, Höhe über Masten einen Meter, mit niederländischer Beflaggung. Es ist ein originalgetreuer Nachbau, gefertigt vom niederländischen Modellbauer Hendrik Nikolaas Kamer. Votivschiffe dienen auch zur Erinnerung an den Stifter, denn die Familie des Verlegers Marcussen stammt ursprünglich von der Insel Föhr: Seit 1712 gingen aus dieser Familie mehrere erfolgreiche Schiffsführer hervor. Sie waren Kapitäne von Handels- oder Commandeure von Walfangschiffen, die unter holländischer Flagge bis nach Grönland oder Ostindien fuhren. Viele Seefahrer, vom Schiffsjungen bis zum Schiffsführer, stammten aus Nordfriesland und besonders von Föhr. Einer von ihnen war Jacob Marcussen aus Süderende. Er befuhr mit der Fregatte Alexander die Weltmeere. Auf dem Friedhof in Süderende stehen sogenannte „Sprechende Grabsteine“; also solche, in deren Inschriften die Lebensgeschichten der Bestatteten eingraviert sind. Auch die der Familie Marcussen. So fuhr zum Beispiel bereits genannter Jacob Marcussen, Sohn des Seefahrers Marcus Jacobs bis nach Batavia im heutigen Indonesien, niederländische Fregatten führte er bis nach Georgetown in Südafrika. Er kehrte mit seiner Frau nach 56 Jahren Seefahrt wohlbehalten auf seine Heimatinsel Föhr zurück. Sein Nachfahre Walter Wybrands Marcussen bringt mit diesem schönen Schiff seine weiterhin bestehende Verbundenheit mit der Kirchengemeinde seines Vorfahrens, St. Laurentii, zum Ausdruck.
◄ Seit 1955 befindet sich in der Kirche dieses Votiv-Schiff.
Kobis Justus Christiansen, geboren am 20. Juli 1887, ertrank als Schiffsjunge auf See am 27. Januar 1904 im Alter von 16 Jahren. Er wurde vor der Australischen Küste von einem Großsegler von Bord gespült. Stifter des Schiffes war der ältere Bruder, der Kapitän und Polizeipräsident a.D. Carl Friedrich Christiansen (24. Februar 1884 – 2. Mai 1969, gestorben im Alter von 85 Jahren) aus Wyk, welcher dieses Schiffsmodell in einem Geschäft in den Niederlanden entdeckte. Es trug den Namen „De jonge Kobis van der Wyk“. Das war der Anlass, das Schiff zu erwerben.
▲Das Schiffsmodell der Dreimastbark „Theone“ signalisiert die Verbundenheit der Gemeinde mit der Seefahrt, insbesondere mit der Zeit der Gründerjahre Bremerhavens. Mehr als 7 Millionen Menschen sind über Bremerhaven in die „Neue Welt“ ausgewandert. Die „Theone“ wurde 1863 von der Reederei T. L. Brauer & Sohn in Bremen bei der Werft J. C. Tecklenborg in Geestemünde, dem zum Königreich Hannover gehörenden Teil des heutigen Bremerhaven, in Auftrag gegeben. Bis 1864 wurde sie fertiggestellt. Der Name „Theone“ entstammt dem Griechischen und bedeutet: „Die mit dem Winde Fliegende“. Das Schiff bot 260 Auswanderern Platz und benötigte bei günstigen Wetterbedingungen 42 Tage für die Überfahrt nach Amerika. Unter „normalen“ Bedingungen dauerte die Überfahrt so bis 90 Tage.
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