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Jahrhunderthalle und Westpark Bochum

Einst haben viele tausend Stahlarbeiter hier ihr Süppchen gekocht. Zur Familie der Kruppianer (wie die Arbeiter der Firma Krupp liebevoll genannt wurden) zählen zu dürfen war für jeden einzelnen, Angehörigen der Firma Krupp eine Ehre. Es war damals so gut wie unmöglich ohne einen Angehörigen in der Firma zu haben bei Krupp eingestellt zu werden und das machte diesen riesigen Konzern zu einem Familienbetrieb. Alle Arbeiter liebten den Betrieb denn sie waren stolz darauf ein Kruppianer zu sein. Nun ist der Konzern hier in Bochum auf ein Minimum geschrumpft.

Hoch über der Halle steht der aus fast allen Teilen des Parks sichtbare grüne Wasserturm, der eine Landmarken-Funktion hat.

Das lange brach liegende Krupp-Gelände rings um die Jahrhunderthalle lädt als Westpark mit gut ausgebauten Radwegen, modernen Spielplätzen, großen Wiesen und verschiedenen Zeugnissen der Industriekultur zur Erholung ins Ruhrgebiet ein. Drei spektakuläre und mit Architekturpreisen ausgezeichnete Brücken ermöglichen einen Rundweg um den ganzen Park und eine schöne Fernsicht über das Bochumer Stadtgebiet. Der ringförmig um die Jahrhunderthalle angelegte Westpark Bochum integriert die Industriekathedrale nicht nur, sondern erhebt sie bewusst zum Mittelpunkt des Naherholungsgebietes. Große Wiesenflächen laden zum Verweilen oder einem Picknick ein, schön gestaltete Spielplätze mit modernen und phantasievollen Geräten bieten mehr als nur die obligatorische Schaukel und den oftmals in Parks verschmutzten Sandkasten. Hier kann man noch heute den Herzschlags des Stahls schlagen hören oder besser fühlen, um dann doch dem Vogelgezwitscher zu zuhören. Die symmetrisch angelegten Baumreihen entlang der Geh- und Fahrradwege wirken auf den ersten Blick zwar vielleicht etwas starr, aber so grenzt sich der Westpark in seiner Modernität von anderen Anlagen ab und zeigt ein für das Ruhrgebiet völlig neues Konzept.

 
 

Die Landschaftsgestaltung

Die verschiedenen Ebenen des terrassenartigen Gebietes rund um die Jahrhunderthalle wurden durch steinerne Böschungen und weiche Geländeübergänge zu einem kontrastierenden Park gestaltet. So konnten die Höhenunterschiede des ehemaligen Industriegeländes konzeptionell in die Landschaftsgestaltung integriert und verbliebene Schlacke-Reste durch Begrünungen überdeckt werden. Durch ausladend angelegte Rampen und Treppen sowie durch Brücken wird das Gelände vom Fußgänger oder Radfahrer erschlossen. Besonders eindrucks-voll ist die S-förmig geschwungene Brücke über die Gahlensche Straße, die den Ausgangspunkt für einen Panoramaweg entlang der Erzbahntrasse bis zum Hafen Grimberg in Gelsenkirchen markiert. Zusammen zollen die drei Brücken im Westpark mit ihrer jeweils eigenen Form und ihren Konstruktionen dem ehemaligen Produktionsort für Stahl Tribut.

 
 

 

Charme der Industriekultur

Aber auch der Charme der Industriekultur wird als fester Bestandteil in den Westpark integriert. So finden sich immer wieder Reliquien aus der Zeit der Stahlproduktion im Ruhrgebiet, wie ein ausgedientes Eisenbahnhäuschen und inzwischen von der Natur überwucherte Backsteinmauerreste. Und nicht nur die Hauptansicht der Jahrhunderthalle mit ihren modernen Anbauten, der "Südspange" und der "Hofspange", ist lohnenswert, ebenso die Betrachtung der Rückseite der unter Denkmalschutz stehenden Industriekathedrale, die eine Vermutung der hier geleisteten Blütezeit der Stahlproduktion nahe legt.

Werkswasserwirtschaft

 
Der Wasserturm im Westpark an der Jahrhunderthalle ist schon von Weitem als Landmarke zu erkennen. Erbaut wurde der Wasserturm im Jahr 1938.
 

Integrierte Hüttenwerke benötigen große Wassermengen zur Anlagenkühlung, in den verschiedenen Produktionsprozessen und lange Zeit auch zur Dampf- bzw. Energieerzeugung. Nachdem der Bochumer Verein seinen Wasserbedarf zunächst über Brunnen gedeckt hatte, folgte bereits in den 1860er Jahren eine Wasserleitung zur Ruhr. Außerdem verwendete das Unternehmen das Grubenwasser benachbarter Zechen. Mit dem Hochofenwerk entstand die erste von schließlich drei unabhängig voneinander arbeitenden Werkswasseranlagen, die zur Rückgewinnung, Reinigung und Verteilung von Brauchwasser genutzt wurden. Zwei dieser Systeme sind noch heute sichtbar. Vom großen Wasserhochbehälter wurde das Wasser im Werk verteilt. Der kleinere Hochbehälter stand ausschließlich den Motoren der Gaskraftzentrale zur Verfügung. Die Abwasser wurden zum Vorklärbecken geleitet, wo sich grobe Verschmutzungen absetzten. Das Pumpenhaus 2 (heute Besucherzentrum & Gastronomie) beförderte das Wasser unterirdisch zu den großen Kühl- und Klärteichen des Bochumer Vereins, die sich im Bereich der Schrebergärten westlich der Erzbahnschwinge befanden. Dort standen zwei Kühltürme und das Pumpenhaus 1, welches frisches Wasser zurück auf das Werksgelände pumpte. Zur Verwendung in der Dampfturbinenzentrale war das Werkswasser zu warm. Sie verfügte über einen eigenen Kreislauf, eigene Kühlbecken und Kühltürme.

 
 
Pumpenhaus

Das ehemalige Pumpenhaus des Bochumer Vereins steht unmittelbar neben der Jahrhunderthalle, dem zentralen Spielort der Ruhrtriennale. Nach der Stilllegung der Wasserpumpen sollte das Gebäude zunächst abgerissen werden, bis man sich für einen Umbau und eine Umnutzung zum Besucherzentrum sowie zur Gastronomie entschied.

Dem bestehenden Gebäude, einer offenen Halle mit einer Fassade aus ausgemauertem Stahlfachwerk, wurde eine neue Klimahülle übergestülpt, die die Anforderungen an den Wärmeschutz erfüllt. Die Anmutungsqualität des Innenraums mit seinen Gebrauchsspuren und den filigranen Dachbindern konnte somit erhalten werden. Die neue Außenhülle besteht aus dunkelgrauem Stahltrapezblech, das vor den früheren Fensteröffnungen perforiert wurde und so an diesen Stellen lichtdurchlässig ist. Eine eingestellte Box für die Sanitärräume trennt die Nutzungsbereiche des Besucherzentrums und der Gastronomie.

Kühltürme
 
 
Einige ehemalige Klärbecken wurden zum Biotop. Hier wachsen Pflanzen und schwimmen Fische in früher toten Betonbecken.
Turbinenhalle im Westpark Bochum

Dampfgebläsehaus

 
 

„Cowper" - Winderhitzer

Der Hochofenbetrieb erfordert enorme Luftmengen, die aus energetischen Gründen auf 800 - 1.200°C vorgewärmt und über Gebläsemaschinen in den Ofen gepresst werden. Nach dem Ersten Weltkrieg erreichte der Luftbedarf pro Tonne Roheisen einen Wert von durchschnittlich 3.200 m³, sodass der Bochumer Verein zu dieser Zeit annähernd 7 Mio. m³ Luft pro Tag einsetzen musste. Der „Hochofenwind" kam zwischen 1876 und 1908 vom Dampfgebläsehaus, seit 1903 auch aus der Gaskraftzentrale, und wurde in Rohrleitungen über das Gelände geführt.

Für die Aufheizung des Windes sorgten direkt an den Öfen stehende „Winderhitzer“ - mit feuerfesten Steinen gitterartig ausgemauerte Blechzylinder. Die Hochöfen besaßen jeweils bis zu fünf Winderhitzer. Während einer als Reserve diente, wurden die anderen wechselweise durch die Verbrennung von Gichtgas erhitzt, um im zweiten Schritt ihre Wärme an den Wind abzugeben. Nachdem der Bochumer Verein zunächst Whitwell-Winderhitzer verwendet hatte, debütierten 1890 beim Hochofen IV die nach ihrem Erfinder Edward Alfred Cowper bezeichneten „Cowper”. Diese unterschieden sich durch den Aufbau des Steinfachwerks und sind bis heute an Hochöfen weltweit im Einsatz.

 

Dampfrad

Seit 2018 hat der Westpark Bochum eine neue Sehenswürdigkeit: Appeal to the Youth of All Nations.

Bei seinen Vorbesuchen für die Ruhrtriennale 2018 erlebte Olu Oguibe (*1964 in Aba, Nigeria; lebt und arbeitet in Rockville, Connecticut) das Ruhrgebiet als einen Ort, der sich unter anderem durch eine Fülle von „Kunstwerken“ im öffentlichen Raum auszeichnet, die uns aus der Zeit der Schwerindustrie hinterlassen wurden. Oguibe hat dieser ehemaligen Industrielandschaft keine weiteren Objekte hinzufügen, sondern hat eine vorhandene architektonische Struktur als künstlerische Skulptur sichtbar werden lassen: eine soziale Intervention in Form einer textbasierten Skulptur auf dem Gelände der Jahrhunderthalle Bochum. Zu jeder Zeit frei zugänglich zeigt sie einen universellen Aufruf an die Jugend aller Nationen in drei Sprachen: auf Deutsch und Englisch, da dies die im europäischen Raum meist verbreiteten Sprachen sind – und auf Romani, als derjenigen Sprache, die eine große Minderheit repräsentiert und für eine der frühesten migrantischen Gruppen in Europa steht.

Der deutschsprachige Text der Skulptur lautet:

 

„Aufruf an die Jugend aller Nationen. Und an all jene die Geschichte und Lebenslage hier hergeführt hat. Möget Ihr lernen zusammenzuleben wie eine Menschheitsfamilie. Sicher und in Einklang miteinander. Mit Verständnis. In gegenseitigem Respekt. Und für einander sorgend ebenso wie für den Planeten den die Natur uns anvertraut hat. Denn Ihr seid diejenigen, die in der Lage sind, die Welt zu ändern. Und indem Ihr Neugier über Zwietracht stellt eine neue und bessere Zukunft für die gesamte Menschheit zu erschaffen.“

Blick zur rückseitigen Jahrhunderthalle

So wie der Gahlensche Kohlenweg längst seine Bedeutung als Kohle-Transport-Trasse verloren hat, ist auch das Bahnwärterhaus ohne Funktion. Leer, fensterlos, als stummer Zeuge vergangener Industrieblüte hat der Bau selbst einen skulpturalen Charakter angenommen.

Eingang zu einem Luftschutzstollen

Zunehmend überwuchert von der Natur, befand sich das Areal zwischen Pumpenhaus, Turbinenhalle und den Kühltürmen in einem wahren Dornröschenschlaf. Eine Fundgrube für Motive der „Lost Places“-Fotografie. Das ist allerdings ein Begriff, der erst Jahre später in die Fotografensprache Eingang fand. Auch der Bereich rund um die Reste des sogenannten Colosseums befand sich noch im ursprünglichen Zustand.

 
 

Mit „Colosseum“ werden die Reste einer Stützmauer in Bochum am Eingang des ehemaligen Krupp-Geländes an der Alleestraße bezeichnet. Sie bildet heute die südliche Begrenzung des Westparks. Das 16 Meter hohe Stützmauerwerk aus circa 2,8 Millionen Ziegelsteinen wurde 1911 erbaut und sichert die dahinter liegenden Erdmassen ab. Auf dieser Fläche standen das Martin-Stahlwerk I von 1874/1889 und das 1912 in Betrieb genommene Martin-Stahlwerk II mit Gaserzeugerhalle, Mischerhalle, Ofenhalle und Gießhalle, insgesamt war der Hallenkomplex 300 Meter lang und 100 Meter tief. 1983 wurden die Werke geschlossen und alle Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Erhalten geblieben sind die Reste des Gebäudes in der westlichen Stützmauer und die daran anschließende Rundbogenfassade im südlichen Bereich. Im Gebäude waren Waschkauen, Büros und Materiallager untergebracht. Es gibt noch diverse Überreste der ehemaligen Nutzung, zum Beispiel Waschbecken und Wannen. Im unteren Teil existieren noch Kriechgänge, die im Zweiten Weltkrieg als Bunkerersatz für die Arbeiter dienten und zu einem weiträumigen, unterirdischen Luftschutzsystem gehörten.

Westlicher Gebäudeteil mit dem ehemaligen Stellwerk des Bochumer Vereins
 
 

Die Rundbogenfassade dient vorläufig zur Präsentation von sieben Stahlskulpturen des Bochumer Künstlers Friedrich Gräsel. 1994 waren sie bereits dort ausgestellt, zwischenzeitlich auf einer Wanderausstellung und seit 2001 – nach Erwerb durch die „Stiftung der Sparkasse Bochum zur Förderung von Kultur und Wissenschaft“ – wurden sie dort bis zum Umbau des Gebäudes platziert. Sie bestehen aus industriellen Normteilen, meistens Rundrohren, die der Künstler zwischen 1985 und 1990 zu Stahlstelen zusammengeschweißt und verschiedenfarbig angestrichen hatte.

Das gesamte Gebäude war stark baufällig, mit Rissen im Mauerwerk, das fünfte Obergeschoss abgebrochen und fehlendem Dachaufbau. 2005 wurde von der Landesentwicklungsgesellschaft NRW und der Stadt Bochum ein Projekt zur Renovierung in Auftrag gegeben, 40 Arbeitslose sollten dabei durch eine ARGE-Qualifizierung einen Job bekommen, was vom Erwerbslosen Forum Deutschland heftig kritisiert wurde. Anfang März 2010 wurde der Platz vor dem Colosseum und das Gebäude selbst nach der abgeschlossenen Renovierung wieder eröffnet. Seitdem werden die Figuren Gräsels dort wieder präsentiert.

 
 
 

Bochumer Verein

Der Bochumer Verein entstand im Jahre 1854, nachdem sich zuvor die beiden Unternehmer Eduard Kühne und Jakob Mayer zusammentaten. Das erste Stahlwerk, gegründet von Jakob Mayer, welcher eigentlich gelernter Uhrmacher war, aber sich schon sehr früh für die Erzeugung von Gussstahlprodukten interessierte, entstand 1842 an der Alleestraße in Bochum. Die Alleestraße hieß damals noch Essener Chaussee. Schon kurz darauf stieg der Kaufmann Eduard Kühne als Teilhaber und Geldgeber mit in das Unternehmen ein. Unter dem Firmennamen "Gussstahlfabrik Mayer & Kühne" wurden in der Anfangszeit überwiegend Stahlbarren in der Stahlhütte hergestellt, welche zur Weiterverarbeitung zu Degen, Scheren und Werkzeugen an die Schmieden im Siegerland und Sauerland verkauft und verschickt wurden. Obwohl die Bochumer Stahlwaren von hervorragender Qualität waren, gelang es dem Unternehmen nur sehr schleppend, sich gegen die damalige Vorherrschaft des britischen Stahls durchzusetzen. In den Folgejahren entwickelte sich die Firma Mayer und Kühne stetig weiter. Neben der Weiterentwicklung des Gussverfahrens wurden nun auch Werkzeuge und Federn in dem Bochumer Gussstahlwerk hergestellt. Wer einmal in der U-Bahn-Station am Bochumer Verein aus- oder eingestiegen ist, kennt mit Sicherheit die alten Fotos in dem Bahnhof. Diese Zeigen die Gussstahlglocken aus dem Bochumer Verein, mit dem das Unternehmen später berühmt wurde. Doch die Stahlglocken wurden bereits im Jahre 1847 von der (Vorgänger-) Firma "Mayer & Kühne" hergestellt, genauso wie auch schon Kanonenrohre, welche allerdings noch in Wetter an der Ruhr von der Firma Kamp & Co, gegründet von Friedrich Harkort, nachbearbeitet und fertiggestellt wurden. Insider wissen jetzt schon ganz genau, worauf ich hinaus will – genau, diese Zeilen eben waren schon mal ein kleiner Wegweiser in die spätere Richtung Rüstungsindustrie und Untertage-Verlagerungen, meinem Spezialgebiet.


Im Jahre 1852 präsentierte das Gussstahlwerk Mayer & Kühne auf der Gewerbeausstellung in Düsseldorf erstmalig seine Produkte aus Stahlformguss. Es waren drei Glocken, welche zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Eine dieser Stahlglocken befindet sich heute im Deutschen Werkzeugmuseum in Remscheid. Fahrt doch mal hin!


Bedingt durch die rasche Expansion der Firma waren die finanziellen Mittel sehr bald erschöpft, so dass die Stahlhütte in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden musste, um sich weiterhin auf dem Weltmarkt etablieren zu können. Im Jahre 1854 wurde deshalb die Aktiengesellschaft "Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikationen" gegründet. Jakob Mayer behielt zunächst die Leitung des Unternehmens, wurde aber schon ein Jahr später von Louis Baare von der Köln-Mindener- Eisenbahngesellschaft abgelöst. Er blieb natürlich weiter dem Betrieb als technischer Leiter erhalten. Unter der Leitung von Baare wurde ein großes Investitionsprogramm getätigt, welches den Ausbau und Erweiterung der Walzwerke betraf. Neben dem Bandanlagenwalzwerk wurde auch eine Radsatzdreherei aufgebaut. Louis Baares Projekte wurden 1860 abgeschlossen und gingen in Produktion. Aufgrund von Differenzen in der Führungsetage des Unternehmens verließ Eduard Kühne 1858 den Betrieb.


Ab dem Jahre 1866 entwickelte sich der Bochumer Verein immer mehr zu einem leistungsfähigen Rüstungsbetrieb. In der werkseigenen Kanonenwerkstatt wurden neben anderen Rüstungsgütern vor allem Geschützrohre und Granathülsen hergestellt. Der Bochumer Verein erreichte zwar nie die Kapazität des großen Konkurrenten Krupp im benachbartem Essen, aber einer der Hauptaufträge kam 1866 von der königlichen bayrischen Regierung, kurz vor dem Deutsch-Österreichischen Krieg. Ein Jahr später wurde das Stahlwerk endlich an das Netz der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft angeschlossen. Noch ein Jahr später, im Rahmen der Pariser Weltausstellung, wurde als einer der Höhepunkte eine 15 Tonnen schwere Glocke aus dem Bochumer Verein präsentiert. Diese Stahlglocke aus Bochum sorgte für großes Aufsehen, zumal sie aus einem Guss entstand. Diese Glocke gibt es noch heute, denn seit 1979 gehört sie wieder als "Rathausglocke" der Stadt Bochum. Der Bochumer Verein expandierte stetig weiter. Im Jahre 1876 standen bereits acht Siemens-Martin-Öfen zu Stahlerzeugung auf dem Betriebsgelände. Fünf Jahre später wurde auch das sogenannte "Thomas-Verfahren" versuchsweise eingeführt. Mit diesem Verfahren konnte zum Beispiel auch das deutsche phosphorreiche Eisenerz verarbeitet werden. Doch die Qualität der Endprodukte war nicht so gut, so dass das Stahlwerk weiterhin auf den Ankauf von ausländischem Roherz angewiesen war. So, wir machen einen kleinen Zeitsprung in das Jahr 1903, denn in diesem Jahr wurden die neue Gebläsemaschinenhalle und die Gaskraftanlage auf dem Gelände des Bochumer Vereins erbaut. Diese ist heute auch unter dem Namen "Jahrhunderthalle" bekannt. Die Jahrhunderthalle, dessen Ursprung eine Eisenkonstruktion war, in der im Jahre 1903 stattgefundenen Gewerbeausstellung in Düsseldorf, eine Ausstellungshalle des Unternehmens untergebracht war, steht seit dem Wiederaufbau in Bochum, nach der Ausstellung, bis heute unverändert und dient heute, nach Stilllegung der Anlagen, als Besuchermagnet und Ankerpunkt der Route der Industriekultur im Ruhrgebiet.


Der Erste Weltkrieg betraf auch den Bochumer Verein. Obwohl von der 16.000 Mann starken Belegschaft im Jahre 1914 rund 5.200 einberufen wurden, sollte gleichzeitig die Produktion zum größten Teil auf Kriegsgüter wie Geschosshülsen und Geschütze umgestellt werden. Ab dem Jahre 1916 produzierte der Bochumer Verein rund 3.000 Geschützrohre pro Monat. Um den durch die zum Krieg eingezogenen Arbeitermangel auszugleichen, wurden eine große Anzahl von Frauen und Kriegsgefangene im Betrieb eingesetzt. Insgesamt rund 4.500 Personen. Nach dem Krieg, in der Weimarer Republik, wurden in Deutschland die Fabriken, welche zur Herstellung von Waffen dienten, die Auflage gemacht, die Produktionsanlagen zu zerstören. So auch im Bochumer Verein. Viele Produktionsbereiche wie die Gesenkschmiede, die Pressen und ein großer Teil der Vergütungsanlagen wurden zerstört.


Im Jahre 1921 wurde mit dem Ausbau, der Erweiterung des Werkes begonnen. Da auf dem Gelände an der Alleestraße der Platz begrenzt war, wurde eine große Fläche Land in Wattenscheid-Höntrop gekauft, um dort weitere Produktionsanlagen zu errichten. Das neue "Stahlwerk III" im Bochumer Süden ging ab dem Jahreswechsel 1924/1925 mit vier Siemens-Martin-Öfen in Betrieb. Nach einem weiteren Zeitsprung befinden wir uns nun im Jahre 1933, dem Jahr nach der Machtübergabe, in dem der Bochumer Verein wieder eigenständig fungierte. Am ersten Oktober 1934 übernahm der Bochumer Verein auf Anraten der Wehrmacht die Aktienmehrheit des angeschlagenen Fahrzeug- und Maschinenbaubetriebs Hanomag mit Sitz in Hannover. Auch die gut 10.000 Beschäftigten wurden übernommen. In der Zeit des Nationalsozialismus galt der Bochumer Verein als "Nationalsozialistischen Musterbetrieb". Sogar Adolf Hitler persönlich stattete dem Betrieb am 14. April 1935 einen Besuch ab und ließ sich u.a. das Höntroper Werk zeigen.

 

Nachdem der erste Lichtbogenofen am 19. Februar 1935 im Stahlwerk Alleestraße in Betreib ging, folgten bis 1942 noch zwei weitere Elektroöfen, in welchen hoch legierte Edelstähle verarbeitet werden konnten. Damit wurden die Siemens-Martin-Öfen nicht mehr brauchbar, bzw. benötigt. Damit erfolgte die Einführung des seit der Jahrhundertwende bekannten Elektrostahls relativ spät, was im Wesentlichen auf die Fehlentscheidung von Walter Borbet rückführbar war, welcher sehr lange am von ihm eingeführten Duplexverfahren mit dem Einsatz von Roheisen und Erz in Siemens-Martin-Öfen festhielt. Solche technischen Fehlentscheidungen führten schließlich durch hohe finanzielle Verluste dazu, dass die deutschen Edelstahlwerke, deren Vorstand Borbet ebenfalls angehörte, 1929 neu konstituiert wurden, ihren Sitz nach Krefeld oder anderorts verlegte. Andererseits setzte sich Borbet stark für das Erschmelzen in Hochfrequenzöfen ein, so dass mit Beteiligung der Deutschen Edelstahlwerke (DEW) 1934 die Hochfrequenz-Tiegelstahl GmbH in Bochum gegründet wurde, in die die seit 1924 vorhandene Edelstahlversuchsschmelze des Bochumer Vereins integriert wurde.1938 wurde im Werk Höntrop eine neue Presse mit 6.000t Druckkraft aufgestellt, die 1946 demontiert und nach Großbritannien gebracht wurde – wo sie allerdings nie in Betrieb genommen wurde. Mitte der 1950er Jahre kaufte der Bochumer Verein die Presse zurück und nahm sie am Standort Alleestraße wieder in Betrieb, wo sie nach einer Generalüberholung 2007 noch heute im Betrieb ist. Natürlich kam auch der Bochumer Verein nicht ohne "fremde" Hilfe aus. Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde auch hier eine Vielzahl von Zwangsarbeiter in den Bochumer Stahlwerken eingesetzt. Allein der Bochumer Verein zählte mehr als 7.000 Zwangsarbeiter, welche extra in den eigens dafür angelegten Lagern zum Beispiel am "Goldbach" oder an der "Sauren Wiese" in Bochum-Weitmar errichtet wurden. Zum größten Teil waren es jüdische Häftlinge, welche vor allem rund um die Geschossproduktion zum Stollenvortrieb oder zu Erdarbeiten gezwungen wurden. Über 100 Häftlinge überlebten die grausamen und unmenschlichen Lebensbedingungen in den Lagern und an den Arbeitsplätzen nicht. Alle Außenläger in Bochum gehörten dem Stammlager Buchenwald an. Auch die alliierten Streitkräfte kümmerten sich um den Rüstungsstandort Bochum und beschossen den Bochumer Verein und dessen Umgebung mit 10.000 Sprengbomben und 130.000 Brandbomben, bis der Rüstungsstandort Bochum endgültig Geschichte und unbrauchbar wurde. 

Die 1902 gebaute Jahrhunderthalle diente anfangs für Ausstellungen. Erst später baute man sie zur Gebläsemaschinenhalle für Hochöfen um. Im Jahr 2003 wurde die Halle wieder zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum, wie sie es anfangs bereits einmal war. 

 

 

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