Friedhöfe, das sind nicht nur Orte der Toten, sondern auch Orte der Ruhe und Abgeschiedenheit. Sie spiegeln Kunstgeschichte und Zeitgeist vieler Generationen und geben einen Blick in nationale und internationale Bestattungskultur. Historische Friedhöfe sind Oasen der Ruhe und kulturelles Erbe zugleich. Die Begräbnisstätten bieten spannende Einblicke in die Stadtgeschichte, und auch Stadtbewohner haben sie wiederentdeckt. Die prunkvollen Gräber aus dem viktorianischen England beispielsweise, die mit Symbolik überhäuft den Umgang mit dem damaligen Glauben und Irrglauben zeigen, oder die Gräber aus Barcelona, die sich wie eine Kunstausstellung von Phantasie, Fertigkeit und Inspiration anfühlen.
Das Interesse an historischen Friedhöfen wächst. Viele Städte bemühen sich um dieses kulturelle Erbe. Zahlreiche Friedhöfe oder Grabmäler stehen unter Denkmalschutz. Ein frühes Beispiel ist Köln mit seinem Melaten-Friedhof. Auch andere Städte haben denkmalgeschützte Friedhöfe. In Düsseldorf wurde vor gut 30 Jahren eine längst aufgegebene Ruhestätte zum Denkmal erhoben. Der Golzheimer Friedhof ist mit seinen imposanten, alten Grabsteinen ein Park, der auch nachdenklich macht. In der Grünanlage, angelegt von dem hier bestatteten Gartenarchitekten Maximilian Friedrich Weyhe, stehen Hunderte Grabmale verstreut herum. Das Blatt hat sich gewendet. Seit etwa 30 Jahren gebe es mehr Interesse am Erhalt. Auf dem Golzheimer Friedhof gibt es viel besuchte Führungen. Dabei geht es um die Prominenten, die Frauen oder auch die vielen Kinder, die hier bestattet sind. Auch der kulturhistorische Hintergrund wird erklärt, denn die rätselhaften Symbole auf den Steinen werden ohne Hilfe nicht mehr verstanden. Verlöschende Fackeln etwa standen für das erlöschende Leben, Mohnkapseln symbolisieren den Schlaf. Zwei sich verschränkende Hände erinnern an Eheleute, die sich im Jenseits wiederfinden. Aber auch Grabsteinen droht das Ende. Alte Monumente verwittern, die Inschriften sind kaum noch zu entziffern, viele verfallen. Auf dem Golzheimer Friedhof haben inzwischen 75 Gräber eigene Paten, die ein Auge auf den Ort haben und aufpassen, dass Vandalen nichts kaputt machen. Das ist eine Art, die Stadt bei der Denkmalpflege zu unterstützen. Andernorts geht die Unterstützung weiter: Hier bezahlen Paten zu Lebzeiten die Restaurierung eines kunsthistorisch wertvollen Grabsteins und lassen sich dort beerdigen.
Eine Quelle sind auch die teils sehr langen Texte auf den Steinen. Die Inschriften erzählen ganze Geschichten. Besondere Steine stehen auf den Friedhöfen der nordfriesischen Inseln Föhr und Amrum. Hier heißen sie „Sprechende Grabsteine“ oder auch „Logbücher des Lebens“. Verewigt wurden Lebensdaten, Berufe, Bibelzitate und die rührenden Worte der Hinterbliebenen. Die Steine erzählen die Geschichten, vom Wind schief gestellt und vom Wetter geschliffen, einige von Moos bewachsen, und fast alle mit einem Anker, einem Herz und einem Kreuz verziert, den Symbolen der christlichen Seefahrt. Zuerst waren es fliesenähnliche Sandsteinplatten, mit einer Bohrung, in der ein Holzstab oder Walknochen Halt fanden, um die Platte in schräger Lage aufstellen zu können. Dann kamen die größeren "Bremer Steine" auf, die man aus den Steinbrüchen bei Bremen (in den meisten Fällen als Rohlinge) nach Föhr holte. Erst nach 1700, als mit dem Walfang (wie man annimmt) ein gewisser Wohlstand auf die Insel kam, wurden aufrechtstehende Grabsteine Brauch. Oft konnten die Hinterbliebenen eines Verstorbenen erst Jahre nach der Bestattung den Stein setzen lassen, wenn sie finanziell dazu in der Lage waren (wobei man auch mal einen älteren Stein abschleifen und mit einer neuen Inschrift versehen ließ). Auch die dreimalige Nutzung eines Grabsteins ist überliefert.
Auf dem Friedhof des Dorfes Süderende, im Westen der Insel, neben dem Backsteinturm der Pfarrkirche „Sankt Laurentii“, sprechen die Steine. Zum Beispiel über Erck Jung Hansen. Von ihm ist überliefert, dass es ihm verboten war, seine geliebte Jung Thor, geb. Ocken zu heiraten. Die Gründe sind unklar. Da die Liebe aber sehr groß war, entführte er seine Geliebte Thor. Ein Standesamt gab es damals noch nicht, die Trauung musste ein Pastor vornehmen. So heirateten sie am 14.02.1729. Sie bekamen 3 Kinder, wobei das älteste, eine Tochter, vor ihnen starb. Oder über Früd Faltings, geboren am 23. Dezember 1783, der 1811 Ingke Olufs zur Frau nahm, die ihm drei Kinder gebahr. 23 Jahre lang führte er ein Schiff aus Kopenhagen und brachte seine Familie zu Wohlstand. So steht es in schwarzen Buchstaben auf weißem Grund, und wer wissen möchte, warum Föhr die Insel der Kapitäne ist, sollte verweilen und weiterlesen.
„Was bleibt übrig, wenn wir gestorben sind?“
„Menschen, denen wir etwas bedeutet haben!“
Seit etwa 700 Jahren tragen die Menschen Nachnamen. Bis dahin genügte meist der Vorname. Wer in ein Dorf kam und fragte: "Wo wohnt der Heinrich?", bekam gleich die richtige Antwort. Doch dann zogen immer mehr Menschen in größere Siedlungen und Städte. Wenn dort jemand nach Heinrich suchte, wurde gleich zurückgefragt: "Welcher Heinrich? Der dicke, der Bäcker oder der Sohn vom Jan?" Also wurde eine weitere Bezeichnung nötig - die Nachnamen entstanden.
Namen sind ein wichtiges Element geschichtlicher, heimatlicher und kultureller Identifikation und gehören in Nordfriesland zum ältesten Kulturgut. Die nordfriesische Namenlandschaft steckt voller Besonderheiten, sowohl bei Orts- wie bei Personennamen. Außenstehende wundern sich häufig über nordfriesische Namen, für Einheimische sind sie ein Stück Heimat, gelebte Tradition, identitätsstiftendes Moment, und die Personennamen sind den Namensträgern etwas ganz Persönliches. Es fällt auf, dass in Nordfriesland die meisten Nachnamen auf „sen“ enden. Die Nachnamen sind die gleichen wie die Vornamen, nur dass sie nun die Endung „sen“, verkürzt auch nur „s“ haben. Dieses Prinzip heißt patronymische Namensgebung. Der Sohn bekam den Vornamen des Vaters als Beinamen zur Kennzeichnung seiner Herkunft. Ole Peters Sohn Peter hieß also Peter Olsen oder Ols, wobei die Endung „s“ eine Genitiv-Endung ist und bedeutet „der zu Peter gehörende Ole“, oft dann auch im Sinne als „Sohn von“. Peters Sohn (der Enkel) bekam den Namen seines Großvaters Ole und hieß dann also Ole Peters, genau wie der Großvater. Da nachfolgende Söhne auch oft den Vornamen bereits verstorbener Geschwister erhielten, erschien diese Praxis der Namensgebung der Obrigkeit bald verwirrend. Hinzu kam, dass auch in anderen Familien die gleichen Vornamen sich wiederholten, so dass sehr häufig die gleichen Nachnamen entstanden.
1771 wurde von der dänischen Regierung ein fester Nachname verlangt. Man einigte sich meist auf einen Namen mit „sen“ oder nur „s“. Aber noch 1820 gibt es eine Verordnung, endlich einen festen Nachnamen zu behalten. Die Gewohnheit der patronymischen Namensgebung ist also nur unter Schwierigkeiten abgeändert worden. Es gibt allerdings auch Familien, die schon viel früher einen Familiennamen führten.
Frauen hatten früher nicht einmal einen eigenen Nachnamen. Sie wurden einfach als Hans sin Martje genannt, wenn der Vater Hans hieß oder Jens sin Martje, wenn der Ehemann Jens hieß.
Die häufigen Vornamen: Peter, Hans, Jes, Jens haben zu den häufigen Nachnamen Petersen, Hansen, Jessen oder Jensen geführt, so dass man ihre Träger nun, besonders wenn sie den gleichen Vornamen trugen, wieder durch Ökelnamen = Spitznamen /Necknamen / Ekelnamen unterscheiden musste. Sie wurden nun durch ihre Besonderheiten gekennzeichnet: Beruf, Wohnplatz oder charakteristische Eigenart: Peter Peters hieß dann Peter Post (Postbote), Hanne Peters hieß Hanne Bütt (Fischhändler) oder Heinrich Peters dann Hein Oog (Augenarzt). Ein Spitzname, der einem in der Jugendzeit angehängt wurde, kann sich ausgesprochen hartnäckig halten. Die Verwendung eines Ökelnaam beschränkt sich in der Regel auf die Familie oder einen engeren Freundeskreis. Der Wortbestandteil Ökel- geht auf altsächsisches okian zurück, das "mehren, vergrößern" bedeutet. Aus diesem okian sind beispielsweise das plattdeutsche "ok" und das hochdeutsche "auch" hervorgegangen. Insofern ist ein Ökelnaam zunächst nichts anderes als ein zusätzlicher Name oder ein "Auch-Name". Doch bereits früh zeichnete sich ab, dass solcherlei Spitznamen gern eingesetzt wurden, um jemanden zu necken oder zu verspotten. Ökelnamen werden nach unterschiedlichen Motiven vergeben. Das ungestüme Verhalten spiegelt sich in: All seggt se Hein Bullerballer to em, man he is de eenzist, de dor nix vun af weet. Auch das Aussehen kann den Ökelnaam bestimmen. Nicht selten wird auch ein Wort oder eine Wendung aufgenommen, die der Träger besonders häufig benutzt: Jeedeen wüss, woans Mister "Sotoseggen" to sien Ökelnaam kamen weer. Auch für Gruppen von Menschen gibt es Ökelnamen. Besonders das Berufsleben gibt im Plattdeutschen zahlreiche Beispiele für kollektive Ökelnamen. Wer einen Arm gebrochen hat, geht zum Knakenschooster, mit Zahnschmerzen besucht man den Kusenklempner. Natürlich gibt es auch hässlichere Ökel-(Ekel)namen. Die Sitte, Spitznamen dieser Art zu geben, ist heute praktisch ausgestorben.
Eine geknickte Blume auf den Grabsteinen weist darauf hin, dass die betreffende Person zum Zeitpunkt der Entstehung des Grabsteins bereits verstorben war. Die Häufigkeit dieser Symbolik zeugt von einer hohen Kindersterblichkeit. In vielen Familien kam es vor, dass nach dem Tod eines Kindes dessen Vorname an das nachfolgende Kind erneut vergeben wurde. Warum? Bis etwa um 1900 (und häufig auch darüber hinaus) bekamen Kinder meist den Namen ihrer Paten, darum erhalten sich bestimmte Namen je nach Region in ihrer Häufigkeit über Jahrhunderte. Starb ein Kind, war der Pate oder die Patin sozusagen wieder "frei" und wurde deshalb gern wieder "zu Gevatter" gebeten. (Gevatter: ursprünglich: geistiger Mitvater, Mitvater in geistlicher Verantwortung, am Ausgang des Mittelalters: vertrauliche Anrede für einen Gleichgesinnten, veraltend oder veraltet: Taufpate, Verwandter, Freund, Bekannter, Nachbar, diverse übertragene Bedeutungen wie „Gevatter Tod“) Bei der Menge der Geburten war die Auswahl ja nicht unbegrenzt und unterlag festen Regeln. Später wählte man den ersten Vornamen nach eigenem Geschmack und setzte dann als zweiten Vornamen den Namen des Paten ein. Hinzu kam in vielen Fällen der Aberglaube, dass das Kind, was zuvor gestorben war, nun wieder erschienen war und leben soll, dass dies ein "Zeichen" sei. Abwandlungen gab es dann teilweise beim dritten Vornamen des Nächstgeborenen, um diesem Kind Unglück zu ersparen und zu verhindern, dass auch dieses sterben könnte.
Das Grab des "Glücklichen Matthias"
Vom "goldenen Zeitalter" auf Föhr zeugen nicht nur die prächtigen Kapitänshäuser. Wer damals Geld hatte, ließ seine Geschichte in Stein meißeln: Auf den Friedhöfen der drei mittelalterlichen Kirchen St. Laurentii in Süderende, St. Johannes in Nieblum und St. Nikolai in Boldixum stehen die sogenannten "sprechenden oder erzählenden Grabsteine". Ihre Inschriften erzählen vom Familien- und Berufsleben der Walfänger und Kapitäne, aber auch von besonderen Ereignissen und von Ehrenämtern der Verstorbenen. Verziert sind sie mit einem Anker, einem Herz und einem Kreuz – den Symbolen der christlichen Seefahrt. Der größte Grabstein gehört dem "Glücklichen Matthias". Er wurde 1706 als reicher und angesehener Bürger im Kirchinneren direkt vor dem Altar beigesetzt. Weil aber seine Nachkommen nie die vereinbarte Gebühr an die Kirche bezahlten, wurden seine Überreste ausgebuddelt und vor die Tür gesetzt.
Die meisten Steine auf den Friedhöfen sind aus frostsicherem Oberkirchner Sandstein, der über Bremen als „Bremer Sandstein" in die ganze Welt mit dem Regionalverkehr der Schmackschiffe – zweimastige Küstensegler mit flachem Boden und Gaffelrigg – verschifft wurde.
Unweigerlich kommen Kirchgänger auf dem Weg zum Friesendom an Steinen vorbei, die, obwohl sie Raritäten sind, ganz selten einmal beachtet werden. Es handelt sich dabei um uralte Granitfragmente, die im Laufe der Jahre auf dem Nieblumer Friedhof gefunden und nebeneinander aufgereiht wurden.
Der älteste der "sprechenden Steine" steht an dem Grab von Cateryne Knutsen (Catharina Knutzen). Als eine Sturmflut die Heimathallig Caterynes versenkte, zog sie nach Föhr, wo sie 1604 starb. Die große Grabplatte steht gut geschützt in einem Eck außen an der Kirche, festgehalten durch starke Eisenklammern.
Sieht man die Namen, das Alter, die Geburtsorte auf den Grabsteinen der Gefallenen, so können auch wenige Worte Bände sprechen. Auch hier zeigt sich wieder einmal die die grausame Unsinnigkeit der Kriege.
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