Die Gemeinde Wiemelhausen und das Ehrenfeld besaßen traditionell eine besondere Bedeutung für die evangelische Kirche in Bochum. Die Familie von Schell hatte bereits im 16. Jahrhundert Kirchenräte gestellt, und Jürgen von Schell soll während seines Studiums in Wittenberg Kontakte zu Martin Luther und seinem Freund Philipp Melanchthon gehabt. Vom Ostermannschen Hof stammten die ersten lutherischen Pfarrer Bochums, Johann Ostermann, der Erbauer der Pauluskirche, und sein Sohn Johann Konrad.
Die Melanchthonkirche an der Königsallee nahe dem Schauspielhaus gehört zu den bekanntesten Kirchen Bochums. Der wuchtige Bruchsteinbau mit dem auffälligen helmförmigen Turm und dem großen goldenen Zifferblatt ist ein Blickfang am Südrand der Innenstadt. Vor 100 Jahren, am 2. November 1913, wurde die Melanchthonkirche geweiht. 1892 hatte die ev. Gemeinde Wiemelhausen eine eigene Pfarrstelle erhalten. Die von der Bochumer Ortsgrenze bis zum Lottental reichende Landgemeinde verfügte zwar seit 1903 mit der Petrikirche über ein geistliches Zentrum, aber mit dem Anwachsen des neu erbauten Ehrenfelds wuchs auch hier der Bedarf nach einer eigenen Kirche. Wegen der rasant steigenden Bevölkerung wurde schließlich 1908 der Baubeschluss gefasst.
Im Krieg komplett zerstört
Nach Plänen der Architekten Krieger (Düsseldorf) und Hudlet (Essen) entstand eine Kirche, deren Innenraum mit der hoch gestellten Kanzel im Jugendstil prächtig ausgemalt war; ursprünglich sollte sie Himmelfahrtskirche heißen, wurde aber dann in Anlehnung an die Lutherkirche am Stadtpark nach dem Reformator Philipp Melanchthon benannt. Im Mai 1912 erfolgte die Grundsteinlegung und nach eineinhalb Jahren Bauzeit am 2. November 1913 die Einweihung der Kirche mit Konfirmandensaal und Pfarrhaus. Während der Nazi-Zeit war die Melanchthon-Gemeinde eine Hochburg der „Deutschen Christen“, einer völkischen, antisemitischen und am Führerprinzip orientierten Strömung innerhalb des Protestantismus, die auf eine Anpassung der Kirchenstrukturen an die NS-Ideologie hinarbeitete. Beim ersten großen Luftangriff auf Bochum in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1943 wurde die Kirche so stark zerstört, dass sie nicht mehr benutzbar war. Ab 1945 wurde eine Notkapelle unterhalb der Orgelempore errichtet, am 7. Mai 1950 die neue Melanchthonkirche in einem schlichten, formellen Stil feierlich eingeweiht.
Heute präsentiert sich die Melanchthonkirche nicht nur als Ort der Einkehr bei den Gottesdiensten, sondern als Kulturraum, in dem regelmäßig Konzerte, Lesungen und Aufführungen stattfinden. Mit der „Mittagskirche“ wurde unter Federführung von Kantor Ludwig Kaiser eine Veranstaltungsreihe aufgelegt, die kulturelle und geistliche Aspekte verknüpft.
Mit dem Anwachsen des neuen Ehrenfelds wuchs auch hier der Bedarf nach einer eigenen Kirche. Nachdem Clemens Erlemann der Gemeinde – wahrscheinlich einer Vorgabe von Otto von Schell folgend – ein Baugrundstück geschenkt hatte, wurde 1906 der Kirchenbauverein Rechenerfeld gegründet. Die Bauplanung verzögerte sich jedoch bis 1911, da die Gemeinde gerade mit großen Mühen den Bau der Petrikirche finanziert hatte und für einen zweiten Kirchenbau innerhalb derart kurzer Zeit keine Mittel vorhanden waren. Erst durch massiven Druck der rasant wachsenden Anzahl Ehrenfelder Gemeindemitglieder – bereits 1908 war die Gemeinde aus diesem Grund in zwei Pfarrbezirke geteilt worden – wurde nun der Beschluss gefasst, auch im Ehrenfeld eine Kirche zu bauen. Ausschlaggebend waren hier wohl auch terminliche Zwänge, denn Erlemann hatte seine Schenkung an die Bedingung geknüpft, vor dem 1. Januar 1912 mit den Arbeiten zu beginnen. Ansonsten wäre das Grundstück an den Schenker zurückgefallen. Die nach Vorbild einer bestehenden Velberter Kirche durch die Architekten Krieger (Düsseldorf) und Hudlet (Essen) erbaute Kirche sollte ursprünglich Himmelfahrtskirche heißen, wurde dann aber in Ergänzung zur 1911 am Stadtpark entstandenen Lutherkirche Melanchthonkirche genannt. Nach dem ersten Spatenstich Ende Dezember 1911 folgte am Himmelfahrtstag 1912 die Grundsteinlegung und nach nur rund 18-monatiger Bauzeit am 2. November 1913 die Einweihung des Komplexes mit Konfirmandensaal und Pfarrhaus.
Es fehlte jedoch noch ein Gemeindehaus. Althüsers Pläne, gemeinsam mit der Altstadtgemeinde ein größeres Gebäude mit Sozialeinrichtungen und Hospiz zu errichten, zerschlugen sich jedoch aus nicht bekannten Gründen, sodass der bereits erworbene Bauplatz an der Königsallee wieder verkauft wurde. Ebenfalls unausgeführt blieb das Vorhaben, an der oberen Königsallee ein gemeinsames Haus für die Melanchthon- und die Petrigemeinde zu bauen. Ende der 1920er-Jahre folgte der Beschluss, mit großem Aufwand zwei Häuser auszuführen. Nachdem die Petrigemeinde am 20. Juli 1930 das Paul-Gerhardt-Haus eingeweiht hatte, folgte am 30. November des Jahres das Ernst-Moritz-Arndt-Haus der Melanchthongemeinde.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es zu einem Riss innerhalb der Kirchengemeinde. Die Kirchenwahlen im Sommer 1933 endeten in Wiemelhausen mit einem Erdrutschsieg der Deutschen Christen, einer völkischen, rassistischen, antisemitischen und am Führerprinzip orientierten Strömung innerhalb des deutschen Protestantismus, die auf eine Anpassung der Kirchenstrukturen an die nationalsozialistische Ideologie hinarbeitete. Sie erreichten annähernd 80 % der abgegebenen Stimmen und majorisierte damit in den folgenden Jahren die den traditionellen Zielen verbundene Liste „Evangelium und Kirche“ in den Gemeindegremien. Es kam zu regelmäßigen Auseinandersetzungen beider Gruppen, die, von Beschwerden und Amtsenthebungsverfahren beim Oberkirchenrat, Hausverboten und Repressalien geprägt, mit einer weiteren Zurückdrängung der schwächeren Liste endeten. Zu einer Spaltung der Kirchengemeinde wie in vielen anderen Städten ist jedoch nicht gekommen.
Die Melanchthon-Kirche wurde bereits beim ersten großen Luftangriff auf Bochum in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1943 so schwer getroffen, dass sie nicht mehr benutzbar war. Das komplette Dach war samt Sparrenwerk abgedeckt, alle Türen und Fenster herausgerissen und auch die Stahlbinderkonstruktion beschädigt. Am Turm fehlten ebenfalls das Dach und große Teile der Schieferverkleidung. Das Kircheninnere war damit weitgehend der Witterung ausgesetzt. Feuchtigkeit und Frost sorgten für weitere Schäden an Mauerwerk und Putz. 1948 waren Holzfußböden, Holzvertäfelungen und die Holzkonstruktion des Turmhelms durch Fäulnis so stark angegriffen, dass Einsturzgefahr bestand. Das Presbyterium fasste sogar den Beschluss, den Turm abzubrechen und mit dem gewonnenen Material das Kirchendach zu decken, erhielt dazu vom städtischen Bauamt allerdings keine Genehmigung.
Als Notkirche diente der Gemeinde ab Sommer 1943 zunächst das Ernst-Moritz-Arndt-Haus, bis auch dieses am 4. November 1944 wie das Pfarrhaus weitgehend zerstört wurde. Nach dem Krieg begannen die Wiederaufbauarbeiten zunächst vor allem an der Petrikirche, sodass die Melanchthonkirche zurückstehen musste. Ab 1945 wurde eine kleine Notkapelle unterhalb der Orgelempore, die sich bis dahin nicht wie heute hinter, sondern wie der Altarraum vor den Gemeindemitgliedern befand, eingerichtet und 1947 erweitert. Erst danach folgten Sicherungsarbeiten am Kirchendach und die Rekonstruktion des Turms sowie die Neukonzeption des Kircheninneren. Da der Mangel an Geld und Baumaterialien den Wiederaufbau des Ernst-Moritz-Arndt-Hauses zu dieser Zeit in weite Ferne rücken ließ, ein Gemeindezentrum aber ebenfalls dringend benötigt wurde, entstand der Plan eines zweigeschossigen Ausbaus der Kirche. In Höhe der Empore sollte eine Zwischendecke eingezogen werden, unter der der Gemeindesaal Platz gefunden hätte. In der ersten Etage wäre dann der eigentliche Gottesdienstraum verwirklicht worden. Nach der Währungsreform wurden diese Pläne aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage jedoch fallen gelassen. Am 7. Mai 1950 wurde die neue Melanchthonkirche feierlich eingeweiht.
Apropos Ernst-Moritz-Arndt-Haus: Im Laufe der Jahrzehnte schliff sich der Name sprachlich zu EMA-Haus ab. Der Namensgeber geriet dadurch in Vergessenheit. In anderen Teilen der Republik sei das nicht passiert. Die Universität Greifswald und eine evangelische Kirchengemeinde in Berlin, beide nach Ernst Moritz Arndt benannt, haben den Namen inzwischen abgelegt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich von Arndts völkisch-nationalem und antisemitischem Denken distanzieren. So soll es auch hier geschehen.
Nachdem die Kirche im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden war, sollte ihre Neuerrichtung auch in der innenarchitektonischen Formensprache einen geistigen Wandel zum Ausdruck bringen. Auf den Grundmauern des Zentralbaus, der vormals das Selbstbewusstsein der feiernden Gemeinde veranschaulichte, entstand ein dem optischen Eindruck nach nüchterner langschiffiger Kirchenraum. Aus einer „stolzen Predigt-Kirche“ sollte eine „demütige Sakraments-Kirche“ werden, hieß es im Jahre 1950. Aber die Melanchthonkirche behielt auch nach dieser Umgestaltung ihren Eigensinn, erst recht nach der Renovierung 1999 trat die „rundliche Figur“ wieder stärker in den Vordergrund, sowohl durch die Neugestaltung des Altarraumes als auch durch die halbrunde Anordnung der Bänke. Der so entstandene Freiraum in der Kirchenmitte wird seither für liturgische Inszenierungen wie für ein reiches Kulturprogramm genutzt.
Über Bochum hinaus ist die Melanchthonkirche bekannt für zeitgenössische Musik, experimentelle Konzerte und lautmalerische Orgelbegleitungen des Gemeindegesangs. 70 Jahre ist die dreimanualige pneumatische Orgel der Melanchthonkirche jung. 1952 wurde sie von der Firma Euler errichtet. 50 Jahre später hat die Firma Stockmann aufwändige Renovierungsarbeiten am Instrument vorgenommen.
Da die Melanchthonkirche auf dem Gelände des ehemaligen Privatfriedhofs der Familie von Schell im alten Rechener Wald errichtet wurde, mussten die bis ins 16. Jahrhundert datierenden Grabsteine verlegt werden. Bis heute befinden sich diese wichtigen, denkmalgeschützten Zeugnisse der Bochumer Adelsgeschichte an der Südseite der Kirche.
Weitere Informationen zu den historischen Grabplatten finden Sie ► hier:
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