Auch im 21. Jahrhundert hat das alte plattdeutsche Sprichwort „Keen nich will dieken, de mutt wieken“ (wer nicht will deichen, der muss weichen) offenbar nichts an Aktualität verloren. Bis zur Nacht des 16. Februar 1962 fühlten sich die Hamburger hinter ihren Deichen sicher: Die letzte schwere Sturmflut lag schließlich 107 Jahre zurück, seitdem hatte es in Hamburg keine Schäden mehr durch Sturmfluten gegeben. Diese trügerische Sicherheit führte dazu, dass nicht viel Aufwand in die Unterhaltung der Deiche investiert wurde und diese in einem schlechten Zustand waren. Außerdem war es üblich geworden, beim Bau sowie bei der Erhöhung von Deichen Rücksicht auf bestehende Gebäude und Anlagen zu nehmen. Teilweise wurden sogar die Deiche selbst bebaut und bewirtschaftet. Die Sturmflutkatastrophe von 1962 führte dazu, dass der Hochwasserschutz in Hamburg grundlegend neu organisiert und massiv darin investiert wurde.
Alle Aufgaben des öffentlichen Hochwasserschutzes sind seitdem vollständig auf die Stadt übergegangen. In den letzten 50 Jahren hat Hamburg fast durchgehend an der Verstärkung der öffentlichen Hochwasserschutzanlagen gearbeitet, die Deiche wurden seither um rund 2,5 Meter erhöht. Dank dieser Anstrengungen ist die Bedrohung durch Sturmfluten heute geringer als jemals zuvor in der Geschichte. Seit 1962 gab es noch insgesamt acht Sturmfluten mit Scheitelwasserständen, die höher lagen als die der Katastrophensturmflut am 16. Februar des Jahres. Dabei ist es zu keinen gravierenden Schäden an der Hauptdeichlinie gekommen, Hamburg besitzt heute einen effektiven Schutz vor Sturmfluten. Die öffentliche Hochwasserschutzlinie mit einer Länge von 103 km und diversen Bauwerken bildet das Rückgrat des Hamburger Hochwasserschutzes. Bis 2018 soll nach einer Bauzeit von mehr als 25 Jahren das „Bauprogramm Hochwasserschutz für einen Bemessungswasserstand von NN + 7,30 m am Pegel St. Pauli“ abgeschlossen sein: die Hochwasserschutzlinie wird an die 1991 erhöhten „Bemessungswasserstände“ angepasst. Dieser lange Realisierungszeitraum zeigt, dass der Hochwasserschutz eine aufwändige Daueraufgabe für Hamburg ist. Der Klimawandel und der zu erwartende Meeresspiegelanstieg werden den Hochwasserschutz auch zukünftig vor große Herausforderungen stellen. Diese Zukunftsaufgabe ist umso wichtiger, seit die städtische Entwicklung in den innenstadtnahen und tiefliegenden Gebieten voranschreitet. Mit der HafenCity und dem „Sprung über die Elbe“ rücken Wohnbereiche in den Fokus der Stadtplanung, die dauerhaft vor den Folgen des Klimawandels geschützt werden müssen. Bei der Planung der HafenCity spielte der Hochwasserschutz daher eine wichtige Rolle. 2007 wurde von der EU die „Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken“ erlassen. Ein Schwerpunkt der Richtlinie ist die verbesserte Information der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Auf Basis aktueller Bewertungen wurden bis Ende 2015 Risikomanagementpläne entwickelt, die die Schutzziele und Maßnahmen zur Risikominderung definieren. Hochwasserschutz bleibt ein wichtiges Thema in Hamburg.
Neubau der Hochwasserschutzwand Niederhafen: Der LSBG erneuert die Hochwasserschutzanlage Niederhafen. Auf einer Länge von 625 Metern entsteht zwischen den St. Pauli-Landungsbrücken und dem Baumwall eine neue Hochwasser-Schutzanlage. Die Schutzhöhe der bisherigen Anlage liegt auf NN +7,20 Meter. Die Ausbauhöhen betragen im östlichen Abschnitt der neuen Anlage NN +8,60 Meter und im westlichen Abschnitt NN +8,90 Meter. Die Bauarbeiten begannen Ende Mai 2012 am Baumwall. Der 1. Bauabschnitt ist seit Ende 2015 fertiggestellt, die Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts ist für Ende 2018 vorgesehen.
Die Hochwasserschutzanlage Niederhafen befindet sich in exponierter Lage. Auf ihr verläuft die bekannteste Hafenpromenade der Stadt. Die Promenade verbindet die St. Pauli-Landungsbrücken mit der historischen Speicherstadt sowie der HafenCity und gewährt den Ausblick auf die Elbe, den Hafen und die Elbphilharmonie. Der städtebaulichen Bedeutung des Standorts entsprechend war die Maßnahme Teil der Architekturolympiade Hamburg 2006. Die Planung für den Neubau folgt dem prämierten Gestaltungsentwurf des Architekturbüros Zaha Hadid Architects. Der Entwurf hat den zentralen Ansatz, die Promenade im übertragenen Sinn zum städtischen Umfeld und zum Wasser zu öffnen. Dazu werden versetzt entlang der Anlage sowohl zur Wasser- als auch zur Landseite hin kegelförmige Treppen und Rampen gebaut. Die Passanten auf der Straßenebene haben so die Sicht auf die Flaneure auf der Promenade und die Masten und Aufbauten der Schiffe im Niederhafen. Von der Promenade aus kann man den freien Blick in den Hafen, zu den Hafenfähren, den Schiffen Cap San Diego und Rickmer Rickmers genießen. Im Straßengeschoss der Anlage wird der bestehende Raum für den Bau einer Parkgarage genutzt. Entlang des Gehweges sind einige Ladenflächen vorgesehen. Durch ein Restaurant, ein Café, die landseitigen Ladenflächen und die besondere Form der Treppen entsteht zur Stadtseite eine ansprechende Fassade. Straßenseitig wird entlang des Bauwerks durchgehend ein Gehweg angelegt. Für Radfahrer mit Fahrtrichtung Innenstadt gibt es einen gesonderten Radfahrstreifen. Rampen in Höhe Baumwall, Überseebrücke und Landungsbrücken binden die Anlage barrierefrei an das Straßenniveau an.
Der Bauablauf im ersten und zweiten Bauabschnitt ist prinzipiell gleichartig. Die neue Hochwasser-Schutzwand wird 4,0 bis 7,5 Meter vor der alten Hochwasser-Schutzwand gebaut. Die Promenade rückt also etwas weiter in die Elbe hinein. Um wasserseitig Baufreiheit für den Neubau der Hochwasserschutzanlage zu haben, mussten im ersten Bauabschnitt Zugangsbrücken zu den wasserseitigen Anliegern (Cap San Diego, City Sporthafen, Restaurantschiff, Barkassenbetrieb) ausgebaut und durch Behelfsbrücken ersetzt werden. Im zweiten Bauabschnitt wurde zunächst die wasserseitige Pontonanlage ausgeschwommen und sämtliche Dalben wurden gezogen. Im Schutze der Bestandshochwasserschutzwand wurde die landseitige Anlage so weit abgebrochen, dass eine Kampfmittelsondierung unter der bestehenden Anlage durchgeführt werden konnte. Durch den großflächigen Kampfmittelverdacht und das erforderliche enge Untersuchungsraster waren hier über beide Bauabschnitte ca. 3.700 Bohrungen mit etwa 39.000 Bohrmetern erforderlich. Es wurden keine Kampfmittel gefunden und die untersuchten Flächen konnten daher freigegeben werden. Parallel dazu wurden wasserseitig der alten Wand mit Geotextil ummantelte Stopfsäulen als Bodenverbesserung in einem Raster von 2,5 Metern in den Untergrund eingebaut sowie die Spundbohlen für die neue Hochwasserschutzwand erschütterungsarm eingebracht. Über beide Bauabschnitte wurden ca. 2.800 Tonnen Spundwandstahl verbaut. Nach Einbau der Spundbohlen wurden von der Wasserseite aus insgesamt 249 Schräganker zur Rückverankerung der neuen Wand durch die Spundwand in den dahinter anstehenden Baugrund eingebohrt und mit Zement verpresst. Anschließend begannen die Stahlbetonarbeiten, und die neue Hochwasserschutzwand wurde auf die Spundwände aufgesetzt. Nach Fertigstellung der neuen Hochwasserschutzwand konnte dann auch die alte Wand abgebrochen werden. Nachdem der Hohlraum unterhalb der alten Sohlplatte mit Sand verfüllt war, erfolgten nun die Bohrpfahlarbeiten, da die gesamte Anlage auf Grund der Untergrundverhältnisse tief zu gründen war. Es wurden im ersten Bauabschnitt 310 Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern hergestellt. Hierzu wurde bis zu 20 Meter tief gebohrt, Bewehrungskörbe wurden eingeführt und die Bohrungen dann ausbetoniert. Parallel dazu erfolgten die Arbeiten an den im Baufeld integrierten Sonderbauwerken Baumwallsperrwerk und Dükerquerung Kuhmühlenstammsiel. Im zweiten Bauabschnitt sind 260 Bohrpfähle vorgesehen. Nach Abschluss der Bohrpfahlarbeiten wurden die neue Stahlbetonsohle und im Anschluss daran die Wände und die Decke betoniert. Für das Bauwerk wurden im ersten Bauabschnitt 12.000 Kubikmeter Stahlbeton verbaut. Im zweiten Bauabschnitt werden weitere 11.000 Kubikmeter hergestellt. Über beide Bauabschnitte werden dabei 4.500 Tonnen Betonstahl als Bewehrung verwendet. Die großflächigen Treppenkegel sind aus einzelnen Fertigteilstufen zusammengesetzt, die aufgrund ihrer geometrisch anspruchsvollen Formen kompliziert in der Herstellung und im Einbau sind. Über beide Bauabschnitte sind 4.400 Fertigteilstufen mit Gewichten von bis zu 4 Tonnen vorgesehen bzw. bereits eingebaut. Zur Verblendung der Wände sowie als Promenadenbelag wurden und werden über beide Bauabschnitte etwa 14.000 Quadratmeter Basaltsteine verlegt. Auf der Straßenebene werden großzügige Nebenflächen vor der Hochwasser-Schutzanlage hergestellt. Dazu musste die Straße Vorsetzen in Richtung U-Bahn-Viadukt verschwenkt und neu aufgebaut werden. Entlang der Gehwege entsteht auf der Straße ein neuer Radfahrstreifen. Der erste Bauabschnitt zwischen U-Bahnhof Baumwall und dem Rundbunker wurde mit Beendigung des Straßenbaus Ende Oktober 2015 fertiggestellt. Seit Oktober 2015 werden die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt ausgeführt. Um Platz für den Baubetrieb zu schaffen, wurde die Straße temporär zum Viadukt hin verlegt. Der so neu geschaffene Fahrstreifen entlang des U-Bahn-Viadukts bleibt für die komplette Bauzeit dem Straßenverkehr vorbehalten. Der Verkehr kann so einstreifig an der während der Bauzeit gesperrten Hauptfahrbahn vorbei geführt werden. Die Arbeiten im zweiten Bauabschnitt sollen bis Ende 2018 fertiggestellt werden.
2019: Am Niederhafen an der Elbe zwischen Landungsbrücken und Baumwall haben Zaha Hadid Architects den Bau der 625m langen Uferpromenade als Teil der Hamburger Hochwasserschutzlinie abgeschlossen. Hydrologische Computersimulationen des Hochwasserverhaltens kamen zu dem Schluss, dass eine Deicherhöhung um 0,8m erforderlich war, um Hamburg vor extremen Hochwasserereignissen zu schützen. Überbelastungen des bestehenden Bauwerks und die daraus entstandene Notwendigkeit einer Fundamentverstärkung führten zu einem von der Stadt Hamburg ausgeschriebenen Wettbewerb zur Sanierung der Hochwasserschutzanlagen, den Zaha Hadid Architects für sich entscheiden konnte. Die nun finalisierte Uferpromenade am Niederhafen liegt im östlichen Teil 8,6m; im westlichen Teil 8,9m über dem Meeresspiegel. Während der Bereich im Westen stromabwärts einen Überblick auf die gesamte Hafenaktivität erlaubt, schafft der östliche Yachthafen eine intimere Atmosphäre. Im Wechsel mit den stadteinwärts ausgerichteten Treppen befinden sich entlang der linearen Uferabschnitte weitläufige Amphitheater, die der Elbe zugewandt sind. Drei zentrale Rampen verbinden die Promenade mit den umliegenden Straßen und der Überseebrücke.
Noch im (Neu-/Um-)bau befindet sich die U- und S-Bahn Haltestelle Landungsbrücken. Diese Maßnahmen stehen aber nicht mit dem Hochwasserschutz in Verbindung.
Zwischen den nächsten beiden Bildern liegen fast auf den Tag genau 14 Jahre ....
Sturmflut
In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 erreichte der Wasserstand am Pegel St. Pauli 5,70 m über NN. Die Deiche versagten, ganze Stadtteile standen unter Wasser. 320 Menschen sind bei dieser Katastrophe umgekommen, viele andere erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Es entstand ein Sachschaden von damals mehr als 820 Millionen DM. Eine funktionierende Katastrophenschutzorganisation gab es nicht. Schmerzhafte Erfahrungen wie die Sturmflut von 1962 oder die Sturmflut von 1976 haben gezeigt, dass ein guter Hochwasserschutz für die Menschen in einer Stadt wie Hamburg überlebenswichtig ist. Besonders durch die Sturmflut im Jahre 1962 und die damit verbundenen Verluste, sahen sich der damalige Senat und die Bürgerschaft gezwungen, die Deichanlagen zu überprüfen und schrittweise auszubauen.
Für die Warnung der Bevölkerung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:
Böllerschüsse
Im Ernstfall werden diese noch gezündet bevor die Sirenen aufheulen. Böllerschüsse sind insbesondere für die Warnung im Hafengebiet wichtig. Dazu werden etwa sechs Stunden vor einer Sturmflut in Hamburg von den Abschussbasen Stadtdeich, Hafentor, Maakenwerder Höft, Teufelsbrück und Ernst-August-Schleuse Böller abgefeuert. Es wird dabei mit zwei schnell aufeinander folgenden Böllerschüssen gewarnt. Die Warnung bedeutet, dass ein Wasserstand von mehr als 3,50 m über NN erwartet wird.
Sirenen
Hamburg verfügt nach wie vor über Sirenen in den sturmflutgefährdeten Gebieten. Bei Sturmfluten mit erwartetem Wasserstand von mehr als 7,30 m über NN werden diese Sirenen ausgelöst. Der Heulton dauert eine Minute.
Warnungen per Lautsprecherwagen
Warnungen mit Sirenen und Böllern werden oftmals nicht von allen Betroffenen wahrgenommen oder verstanden. Im Sturmflutfall und in anderen Gefahrensituationen warnen die Bezirksämter daher in den gefährdeten Gebieten die Bevölkerung gezielt mit Lautsprecherwagen.
Informationen über Rundfunk und Fernsehen
Bei einem vorhergesagten Wasserstand von 5,00 m über NN und höher verbreiten alle im Hamburger Stadtgebiet zu empfangenden UKW-Sender, die auch Verkehrsfunkmeldungen senden, etwa ab acht bis neun Stunden vor dem erwarteten Hochwasser in kürzeren Abständen Warnmeldungen.
Warnung durch den Hamburger Sturmflutwarndienst (WADI)
Die Hamburg Port Authority betreibt einen Sturmflutwarndienst. Dieser Warndienst gibt seine Vorhersagen bekannt, wenn Wasserstände von 4,50 m über NN im Hamburger Hafen erwartet werden.
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