Henriette Flügel, geb. Döring, 08.02.1796 - 26.08.1877, Verbindung: Johann Konrad Flügel, 08.12.1785 - 03.04.1850, Arzt
Karl Arnold Wilhelm Flügel, 12.09.1815 - 02.09.1893, Apotheker
Otto Flügel, 21.05.1829 – 12.10.1898, Apotheker, Weingroßhändler
u. weitere
Henriette Flügel – ein bürgerliches Frauenleben im 19. Jahrhundert
Die Bochumer Familie Kortum hat neben dem berühmten Carl Arnold Kortum auch viele bemerkenswerte Frauen hervorgebracht – bis heute bekannt sind leider nur wenige von ihnen: Da ist einmal Carl Arnolds Tochter Henriette Kortum (1770-1839), die eine ausgezeichnete Botanikerin, geschäftstüchtige Hausfrau und Autorin einer umfangreichen Sammlung von Backrezepten war. Henriette von Noel (1833-1903), deren Mutter ebenfalls eine Kortum war, eröffnete eine der ersten und besten Mädchenschulen in Bochum und führte sie 35 Jahre lang mit außerordentlichem Erfolg.
Der Generation zwischen diesen beiden Frauen gehört Henriette Flügel an. Sie war eine Tochter Henriette Kortums und damit Enkeltochter Carl Arnolds. 1796 geboren, zeigt sich bei ihr bald das große dichterische Talent, das schon ihren Großvater berühmt gemacht hat. Doch ihr Lebensweg verläuft anders: während ihre Mutter durch ihren liberalen Vater Carl Arnold die Möglichkeit hatte, sich zu bilden bevor sie mit 24 Jahren heiratete, sich sogar scheiden ließ ohne die Unterstützung ihres Vaters zu verlieren, wird ihre Tochter Henriette bereits mit 15 Jahren mit dem Bochumer Arzt Flügel verheiratet. Sie hört auf zu dichten und bringt in den folgenden Jahren sechzehn Kinder zur Welt, von denen neun früh sterben. Man kann nur erahnen, welche körperliche und psychische Belastung dies für die junge Frau bedeutet – dennoch waren derartige Erfahrungen damals für viele Frauen Normalität. Erst nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1850 beginnt sie wieder, Gedichte zu schreiben. Da ihr Talent nie Raum hatte sich zu entfalten, geschweige denn Förderung erhielt, beschränken sich ihre Arbeiten auf kleine Gelegenheitsdichtungen über alltägliche Ereignisse.
Bis heute sind zwei Tagebücher Henriette Flügels erhalten. Darin verarbeitet sie vor allem den Tod ihrer Tochter Hermine. 1877 stirbt Henriette Flügel in Essen. Sie ist auch dort beerdigt, ist aber auf einer Grabplatte auf der Gruft der Familie Flügel in Bochum verzeichnet.
Henriette Flügel hatte nicht das Glück, ein selbstbestimmtes Leben führen zu dürfen. Die Spuren, die sie hinterlassen hat sind entsprechend gering, aber genau deshalb müssen sie heute sichtbar gehalten werden – auch als Erinnerung an die vielen Frauen, deren Potenziale nie zur Entfaltung kommen durften und die deshalb heute vergessen sind.