„Wat schall dat olle Schiet, man bloß weg damit!“
Gegenstände des täglichen Lebens, für die keine Verwendung mehr besteht, da das Handwerk ausgestorben ist, oder neuzeitliche Erzeugnisse an ihre Stelle getreten sind, wurden oftmals achtlos weggeworfen. Fragt man bei den Einheimischen danach, so heißt es gewöhnlich „Wat schall dat olle Schiet, man bloß weg damit“. Volkskundlich sind selbst Einzelheiten an derartigen Gegenständen oftmals sehr interessant und hinsichtlich ihrer Entstehung und Verbreitung wichtig.
Im Dr. Haeberlin-Friesen-Museum in Wyk auf Föhr sind derartige Gegenstände zusammengetragen. Dr. Haeberlin hat über den „Hausrat“ auf den Nordfriesischen Inseln in dem Werk „Nordfriesland“ und an mehreren anderen Stellen geschrieben. Sieht man sich die Gegenstände an, die meist aus Holz verfertigt sind und dem Hausbau, der Küche, dem Fischfang usw. dienen, so staunt man über die Einfachheit und könnte meinen, sie müssten teilweise etwa den Zeitverhältnissen angehören.
Die Einfachheit der Lebensweise und die Materialarmut auf den Nordfriesischen Inseln und besonders den Halligen, sowie die geringe Entwicklung der Handwerkskunst, andererseits die praktische Verwendbarkeit gerade solcher einfachen Geräte hat diese bis in die jüngste Zeit hinein in Gebrauch erhalten. Zum Decken eines „altertümlichen“ Reetdaches benötigt man „altertümliches Werkzeug“, einen Sodenritzer, Sodenschlitten, Dachstuhl, einen Klopfer. Zum offenen Herd in der Küche, von dem aus der Beilegeofen in der Wohnstube und der Backofen bedient werden, gehören die alten Kesselhaken, Dreifüße, Tranlampen (Ölkrüsel), handgeschnitzten Holzlöffel, Bronzegrapen und Jütentöpfe aus Ton. Letztere sind auf den Inseln selbst jedoch nie hergestellt worden, sondern aus Südwest-Jütland eingeführt, wo sie hauptsächlich erzeugt wurden. Sie sind bis um die Jahrhundertwende, und zwar ausschließlich von Frauen handwerklich, ohne Drehscheibe, angefertigt worden. Bei aller Einfachheit sind sie in Maß und Linie fast alle von künstlerischer Formenschönheit. Manche von ihnen sind den Gefäßen und Urnen der Vorzeit zum Verwechseln ähnlich. In der Töpferei ist durch die Jahrtausende eine besonders starke Traditionstreue gewahrt worden.
Mancherlei Gegenstände, Kästchen und Türen, wie auch die schönen, oftmals in farbigen Kerbschnittmustern geschnitzten Mangelbretter, haben die seefahrenden Friesen in Mußestunden auf den Grönlandfahrten selbst verfertigt. Der Kerbschnitt als Ornament hat Vorbilder, die gleichfalls in die Vorzeit zurückreichen.
Die Vorliebe des Friesen für die Verwendung des geometrischen Musters in der Kunst entspricht seiner Begabung für die Mathematik; diese zeigt sich beim Ständerbau mit dem Fachwerk, wie es beim Friesenhaus zu finden ist, bei der Navigation, der Konstruktion von Instrumenten, wie der Sonnenuhr am Haus, der Kornwaagen usw. Von weiterem Gut an Hausrat ist folgendes noch zu nennen. Für den Fischfang und die Jagd wurden Schlickschlitten, Angeln, Stecher und Netze (für Fische, Krabben, Enten) in verschiedener Art hergestellt. Fußmatten und Seile fertigte man aus Strandhafer. In der Landwirtschaft verwendet man selbstgemachte hölzerne Halskoppeln für die Tiere, Dungkarren mit dem uralten Scheibenrad, mit eisenverstärkten Holzschaufeln für die Dittenbereitung (getrockneter Dung als Brennstoff dienend), Heidehacken, Springstöcke und manches mehr.
Von dem Treibholz, das besonders früher zur Zeit der Segelschifffahrt immer reichlich an den Strand getrieben wurde, ist manches Stück nutzbar gemacht worden. Zum alteinheimischen Hausrat gehört schließlich auch alles das, was mit dem Spinnen, Weben, Stricken und Mangeln (mit gläsernen Gnidelsteinen) in Zusammenhang steht. Besonders aus Föhr wurden früher Wollstrümpfe und Wolljacken in großer Menge ausgeführt. In der Selbstanfertigung von Gegenständen des Hausrates hatte der Inselfriese Gelegenheit, eigenes Können zu erproben, seine Phantasie erfinderisch wirken zu lassen und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung zu erweisen. An den langen Winterabenden saß die Familie zusammen mi Nachbarsleuten (Aufsitzen = Apsetten) in der von dem Beilegeofen erwärmten Wohnstube. Beim Spinnen, Stricken und Reepmachen wurden Sagen und Geschichten der Insel erzählt, es wurden die Erlebnisse von der sommerlichen Seefahrt, der Grönlandfahrt, unter den Männern ausgetauscht, auch manches Seemannsgarn wurde dabei gesponnen, und Spuk und Aberglaube geisterten durch den kleinen halbdunklen Raum In diesen Stunden wurden bei fleißiger Erzeugung von Hausratsgut gleichzeitig auch die geistigen Bande der Familie und des Stammes fester geknüpft. (siehe: ►Traditionen - Sitten, Sagen und Bräuche als zeitlose Zeichen für Heimat und Gemeinschaft)