Blockade mit Baumstämmen
Der Baumwall war ein Teil der von 1616 bis 1625 errichteten Hamburger Stadtbefestigung. Er trennte den an der Alstermündung gelegenen Binnenhafen von der Norderelbe. Bis 1852 wurde der Binnenhafen nachts mit schwimmenden Baumstämmen (und Ketten) gegen ungebetene Gäste unpassierbar gemacht. Der Hafenbereich jenseits dieser „sicheren“ Zone wurde Niederhafen genannt. Heute befindet sich im Niederhafen ein Sportboothafen. Weitere Sperren waren der Niederbaum oberhalb des Niederhafens und der Oberbaum am außerhalb der Befestigung liegenden Oberhafen. Diese sicherten den Wandrahm, ein Fleet zwischen der Altstadt und der Insel Grasbrook.
Die beiden Wachen der Hafenpolizei, die für die Sicherung zuständig war, mussten 1911 dem Bau der Hamburger Hochbahn weichen. Die Hochbahn (heutige Linie U3) fährt auf einem Viadukt, direkt an der Elbe entlang, von der Station Baumwall bis zu den Landungsbrücken und von dort aus, wieder unterirdisch weiter. Die Station Baumwall, die 1993 modernisiert wurde, hat eine „Gewächshaus-Architektur“, inspiriert vom technisierten Umfeld des Hafens: Schiffe, Anleger, Brücken und Kräne. Heute ist das Hafenviadukt zwischen Baumwall und Landungsbrücken, der Teil der U-Bahn-Strecke, mit der herrlichsten Aussicht. Hier beginnt auch die neu angelegte Elbpromenade, die über 800 m lang bis zu den Landungsbrücken führt. Dabei passiert man die Überseebrücke, an der früher Passagierschiffe festmachten. Am Ende der Brücke liegt das weiterhin fahrbereite Museumsschiff Cap San Diego.
Unterhalb der U-Bahn-Station Baumwall, am Hafenrand, befindet sich der Kontorhauskomplex „Slomanhaus“, der am 20.03.2000, in die Denkmalliste eingetragen wurde. In den 20er Jahren entstanden die Klinkerbauten der Kontorhäuser und Viertel im Südosten Hamburgs. Kontorhäuser wurden meist in innerstädtischen Sanierungsgebieten gebaut oder auf großen, durch Zusammenlegung kleiner Parzellen entstandenen Grundstücken. Kontorhäuser stellen einen interessanten Bautyp dar. Ihre Fassaden, Foyers und Treppenhäuser waren meist aufwendig gestaltet und viele dieser kulturhistorisch einmaligen Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz Der zu seiner Zeit größte Kontorhauskomplex am Hafenrand, wurde 1908 nach Plänen des Rathausarchitekten Martin Haller errichtet und 1923 nach Entwürfen von Fritz Höger erweitert. Es war das Geschäftshaus der traditionsreichen Reederei Sloman und ist noch heute eines der prägenden und auffälligen Gebäude am Hafenrand, Baumwall 3 und Steinhöft 11 und 17. Typisch für ein Kontorhaus jener Zeit, ist die mehrgeschossige Eisenbetonkonstruktion mit tragenden Außenwänden, wodurch die freie Einteilung der Etagen möglich wurde, die Ausstattung mit moderner Technik (Paternoster und Aufzüge), die repräsentative Gestaltung der Straßenfront und die Verwendung von pflegeleichten Linoleumböden und Wandkacheln. Die Dreiflügelanlage des „Slomanhaus“ umfasst fünf Geschosse über Keller und Souterrain und ein doppelt ausgebautes Dach, das zur Straße hin als Mansardendach gestaltet ist. Auffällig ist die zum Elbufer weisende abgerundete Ecke mit den zwei Erkertürmen und der Eingang (Portale) am Baumwall mit der neobarocken Umrahmung und den Bronzereliefs mit Schiffsmotiven. Die Fassade ist weitgehend im Originalzustand erhalten und auch im Gebäudeinnern sind viele Gestaltungselemente der damaligen Zeit erhalten.
Der Erweiterungsbau (1921/22) am Steinhöft 11 ist ebenfalls eine Eisenbahnkonstruktion mit Klinkerverkleidung der Fronten. Höger orientierte sich sehr stark am alten „Slomanhaus“, unverkennbar sind jedoch auch expressionistische Stilelemente im inneren Eingangsbereich. Die Reederei Sloman wurde vom englischen Kapitän William Sloman und seinen Söhnen William Palgrave und Robert Miles Sloman im Jahre 1793 gegründet. Am 29. Mai 1850 lief mit der „Helena Sloman“ der erste hamburgische Dampfer zur Fahrt nach Übersee aus. Mit 21 Schiffen war das Unternehmen 1859 die größte Reederei der Hansestadt. Sloman wird heute in der 7. Generation geführt.
Am Schaartor, dem Tor zum Hafen, lag auch die Schaartorkapelle. Im 14. Jahrhundert stand an dieser Stelle nur eine Statue der Stadtpatronin Maria, die von ein- und ausziehenden Pilgern und Seeleuten besucht wurde, sodass der Rat 1371 beschloss, dort eine Kapelle zu errichten. Diese war zunächst nicht für Gottesdienste vorgesehen, erhielt aber später doch einen geweihten Altar. 1375 wurde mit dem Bau, finanziert durch den Rat und Stiftungen von Bürgern, begonnen. Ende des 14. Jahrhunderts war die Kapelle inzwischen dem Heiligen Clemens gewidmet und hatte auch einen geweihten Hauptaltar. Zwei weitere Altäre waren dem Heiligen Geist und der Heiligen Margarete geweiht. Um 1500 wurde der Bau schließlich um eine Kapelle erweitert, in der ein Annenaltar aufgestellt wurde. Nach der Reformation 1529 wurde das Bauwerk nicht mehr liturgisch benutzt. Das Vermögen der Kapelle wurde 1531 der Stadt übergeben. Über die künstlerische Ausstattung und die Baugestaltung der Kapelle ist nichts Näheres bekannt.
In der Nähe der U-Bahnstation "am Baumwall" - besser gesagt unterhalb der Hochbahn - findet man auch das Denkmal von Sir William Lindley:
Lindley kam als Sechzehnjähriger für kurze Zeit nach Hamburg, um bei dem Schwiegersohn des Dichters Matthias Claudius deutsch zu lernen. 1833 kam Lindley als ausgebildeter Ingenieur und Assistent Francis Giles nach Hamburg zurück, um im Auftrag wohlhabender Hamburger Kaufleute eine Eisenbahnlinie von Hamburg nach Bergedorf zu planen. Noch heute gibt es den Bahndamm sowie einige unter Denkmalschutz gestellte Baulichkeiten.
Hamburg schreibt Geschichte
Als erste Stadt auf dem europäischen Festland wurde die Wasserver- und Abwasserentsorgung hier zentral geregelt. Die historische Chance lieferte der Wiederaufbau nach dem Großen Brand 1842. Eine technische Pionierleistung des britischen Ingenieurs Sir William Lindley, die Schule macht. Wer sich in die Zeit vor dem Großen Brand zurückversetzen möchte, darf keine empfindliche Nase haben. Es stank fürchterlich im überfüllten Hamburg. Auf den Plätzen und in den Gassen sammelten sich Müll und die Überreste menschlicher Bedürfnisse. Handwerksbetriebe leiteten ihr Abwasser in Elbe und Alster, wo auch Fäkalien und Urin landeten. Sauberes Wasser? Fehlanzeige! Was die Menschen zum Trinken, Kochen und Waschen brauchten, kam meist aus Elbe, Alster oder den Fleeten. Wer es sich leisten konnte, kaufte sein Wasser an Brunnen und ließ es sich von Wasserträgerinnen nach Hause bringen. Vereinzelt wurden bereits Holzleitungen gebaut, die frisches Wasser lieferten. Aber das blieb die kostspielige Ausnahme.
Das charmante Sielhäuschen wurde extra für Kaiser Wilhelm II gebaut. Er plante, das 1904 fertiggestellte Kuhmühlen-Stammsiel per Bootsfahrt zu besichtigen, als er im selben Jahr anlässlich eines Herbstmanövers in Hamburg weilte. Die Tour sollte vom Einstiegs-Häuschen am Vorsetzen bis zur Sielzusammenführung an der Hafenstraße gehen. Ob die Fahrt jemals stattgefunden hat oder aus terminlichen Gründen abgesagt werden musste, ist nicht belegt. Aber damit nicht genug: Für Kaiser Wilhelm II wurde dort sogar ein extra Ankleidezimmer mit ca. 6 m² Größe eingerichtet, damit er für die Fahrt Schutzkleidung anziehen konnte. Die Existenz dieses Raums war bis 2012 unbekannt. Als die anliegende Statue (rechts) des englischen Konstrukteurs William Lindley umgesetzt werden sollte, wurde ein Hohlraum entdeckt, der sich als Ankleide-Zimmer offenbarte. An "Tagen des offenen Denkmals" ist das Zimmer zu besichtigen.
Im Mai 1842 ereignete sich eine der größten Katastrophen in der Hamburger Geschichte: der Große Brand. Ein Viertel der Stadt wurde zerstört; fast 20.000 Menschen verloren ihre Wohnungen; das Rathaus, die Nikolaikirche und die alte Börse fielen dem Brand zum Opfer. Das Feuer deckte tragisch die Unzulänglichkeiten der Hamburger Wasserversorgung und der engen, hölzernen Bebauung auf. Die tideabhängigen Fleete, aus denen die „Wittkittel“ genannten Löschkräfte ihr Wasser pumpten, führten bei Ausbruch des Brandes nur wenig Wasser. Das Jahr 1842 wurde so zu einem Wendepunkt. Die Hamburger Bürger erkannten das zerstörerische Feuer als Signal ihre Stadt ganz neu zu erfinden. Es war die Geburtsstunde für die moderne Wasserversorgung und einen modernen Städtebau.
Zum großen Glück der Hamburger war der Brite William Lindley zu der Zeit in der Hansestadt. Der Ingenieur aus London entwickelte ein Kanalisationskonzept, das Regen- und Abwasser in die Elbe leiten sollte. Am 29. November 1842 – nur wenige Monate nach dem Großen Brand – begannen die Bauarbeiten für das erste Siel an den Großen Bleichen. Die Sielausmündungen in die Elbe wurden mit selbstschließenden Fluttoren ausgestattet: Sie schlossen sich wenn die Elbe anstieg durch den Wasserdruck automatisch und verhinderten, dass die Stadt bei Hochwasser überschwemmt wurde. Bei sinkenden Pegeln öffneten sie sich durch den Druck des inzwischen in den Sielen aufgestauten Abwassers. Innerhalb weniger Jahre entstand ein weit verzweigtes, kilometerlanges Kanalnetz im Untergrund.
Zum Bau des Abwassersystems kam eine zentrale Wasserversorgung. Die Stadtwasserkunst in Rothenburgsort ging 1848 in Betrieb. Nach Lindleys Plänen wurden vier große Becken gebaut, in denen sich der Schlamm absetzen konnte bevor das Wasser über gusseiserne Leitungen weitertransportiert wurde. Lindley hatte schon früh eine Reinigung des Elbwassers empfohlen, die Sandfilter wurden jedoch unter anderem aus Kostengründen nicht gebaut. Erst nach Hamburgs letzter großer Cholera-Epidemie 1892, bei der 17.000 Menschen erkrankten, wurden die Pläne für eine Langsamsandfiltrationsanlage auf der Elbinsel Kaltehofe umgesetzt. So wurde das Elbwasser von mineralischen und organischen Rückständen gereinigt.
Der Wasserturm, der bis heute zu den Wahrzeichen von Rothenburgsort zählt, beherbergte übrigens die Technik für den Druckausgleich. 1850 hatten bereits ein Drittel der Haushalte einen eigenen Wasseranschluss. „Lindley legte die Grundlagen unserer heutigen Wasser- und Abwasserversorgung. Seine Pläne waren revolutionär“, fasst Hagemann die Leistung des Ingenieurs zusammen. Die Hamburger setzten Lindley zum Dank nahe der U-Bahn-Station Baumwall ein Denkmal. Später verhalf er übrigens auch Städten wie Frankfurt, Warschau und St. Petersburg zu fließend Wasser.
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